Tristan und Isolde

Die Sage

Der französische Prosaroman

Einleitung

Geburt, Kindheit und Jugend Tristan’s

Kampf gegen Morolt und Begegnung mit Isolde

Brautfahrt für Marke und an König Artus‘ Hofe

Zurück nach Cornwall

Entführung Isoldes und Kampf Tristan’s mit Palamedes

Intrigen am Hofe König Mark’s

Flucht von Tristan und Isolde

Isolde mit den weißen Händen

Rückkehr zur blonden Isolde

Aufnahme in die Tafelrunde König Artus‘

Erneute Verwundung Tristan’s

Einleitung

Der französische Prosaroman von Tristan und Isolde ist stark mit dem Sagenkreis um den Gral und dem von König Artus verknüpft. Sein Verfasser ist Lucas von Gast, ein Engländer, Herr der Burg Gast bei Salisbury. Er übertrage die Geschichte Tristans, des hervorragendsten und herrlichsten Ritters neben Lanzelot und Galahad, aus dem alten Buche vom Gral, aus dem Jahre 717. Sein Roman entstand im 12. Jahrhundert unter König Heinrich I. von England und erschien 1489 das erste Mal im Druck. Die Troubadoure des 13. Jahrhunderts beriefen sich häufig auf diesen Roman, der bei ihnen in hohen Ehren stand. Der Graf von Tressan machte das weitschichtige Buch im 18. Jahrhundert zum Gegenstande einer verkürzten Bearbeitung, die im Folgenden als Grundlage dienen soll.

Geburt, Kindheit und Jugend Tristan's

Joseph von Arimathia brachte nach alter Tradition den heiligen Gral – die wunderthätige Schale, aus einem Edelstein gefertigt, deren sich Christus beim Abendmahl bedient und worin Joseph das Blut des gekreuzigten Heilands aufgefangen hatte – mit nach Britanien, den Schauplatz seiner Bekehrung des Volks zum Christenthume. Das heilige Gefäß hinterließ er seinem Bruder Bron, ihn zu dessen Hüter einsetzend. Der Älteste von den zwölf Söhnen Bron’s weiht sich dem Dienste des Gral, zehn andere werden von ihrem Vater und ihrem Oheim vermählt, der zwölfte aber, Sadoc, will die Welt sehen und zieht auf Abenteuer aus, die ihm denn auch nicht fehlen. Seiner Ehe mit Ehelinde, der Tochter des Königs von Babylon, entsprießt ein Sohn, Apollo der Abenteuerliche genannt, ein berühmter Ritter. Im Kampfe tödtet er unwissend seinen Vater, wird dann von Luces, König von Leonois, zum Nachfolger ernannt und herrscht hier friedlich und geliebt. Gleichfalls unwissend vermählt er sich, ein zweiter Oedipus, mit seiner Mutter Ehelinde. Ein wunderbarer Greis, der heilige Augustin, Englands Apostel, enthüllt dem Paare seinen Greuel; der König ist erschüttert, die Königin zweifelt. Der Scheiterhaufen, welcher den Greis verzehren soll, wird von einem himmlischen Thau ausgelöscht, während Blitze die Königin in Asche verwandeln. Apollo verbindet sich mit dem König von Cornwallis, einem Heiden, der, wie früher Apollo, zum Christenthum übertritt; beide vermählen sich mit zwei Schwestern, Töchtern edler Barone ihrer Länder.

Nach mehreren Geschlechtsfolgen aus Apollo’s Stamme wird Meliadus, König von Leonois, geboren. Seine Gemahlin war Isabella (Elisabeth), die Tochter des Königs Felix von Cornwall und Schwester Mark’s, der bald seinem Vater in der Regierung folgte. Eine benachbarte Fee entbrannte in Liebe zu Meliadus, lockte ihn auf die Jagd und entführte ihn. Isabella, in Verzweiflung über den Verlust ihres Gemahls, dessen Frucht sie im Schooße barg, eilte mit ihrem Stallmeister Gouvernail (Curwenal) und einer ihrer Jungfrauen von dannen, den Verlorenen zu suchen. In einem Walde überfielen sie die Nacht und die Wehen, und nach langen Schmerzen gebar sie einen schönen Knaben. Da sie ihre Kräfte erlöschen und die Nähe des Todes fühlte, Ließ sie sich ihr Kind reichen, schloß es in die Arme, benetzte es mit Thränen und sprach zu ihm: „Sehr verlangte es mich nach dir, mein Sohn. Ich sehe in dir das schönste Kind, dessen je eine Mutter genas. Mir aber frommt deine Schönheit nicht, denn ich sterbe an dir. Traurig kam ich daher, traurig gebar ich dich, in Trauer begrüße ich dich, traurig ist das erste Fest, so ich dir bereite, und traurig sterbe ich wegen dir. Da du nun in Trauer zur Welt kamst, soll dein Name auch Tristan – Trauriger, Schmerzensreich – sein.“ Nach diesen Worten küßte sie ihn und verschied.

Gouvernail und das Edelfräulein nahmen sich der Waise redlich an, waren aber in großer Sorge, sie zu nähren, als ihnen der Zauberer Merlin erschien. Nachdem er den Zauberbann des Meliadus gelöst, befahl er der Obhut des treuen Gouvernail den jungen Tristan, als einen der drei künftighin berühmtesten Ritter der Tafelrunde. Meliadus erzog sorglich den Knaben, Gouvernail übte ihn in den Waffen und pflanzte warme Liebe zu allen Tugenden in sein Herz.

Das siebente Jahr hatte Tristan erreicht, als sein Vater zur zweiten Ehe schritt. Seine Gemahlin, Tochter des Königs Huel von Bretagne (Nantes), war eben so schön als listig und boshaft. Er faßte große Liebe zu ihr und sie gab ihm einen Sohn. Tristan aber ward von ihr gehaßt und verfolgt. Sie versuchte ihn zu vergiften; allein den tödlichen Becher leerte ihr Sohn und starb. Auch ihr zweiter ähnlicher Versuch gegen den Stiefsohn mißlang: denn Meliadus, bei der beabsichtigten That gegenwärtig, ergriff den Becher und erkannte seinen Inhalt. Er versammelte seine Barone zur Berathung. Die Königin wurde zum Feuertode verurtheilt. Da wirft sich Tristan dem König zu Füßen und erlangt Begnadigung der Missethäterin; aber Meliadus entsagt fortan aller Gemeinschaft mit ihr.

Zu selbiger Zeit prophezeite ein wahrsagender Zwerg dem König Mark von Cornwall, sein Neffe werde ihn höhnen und groß‘ Unheil ihm bereiten. Mark, darob in Zorn und Sorge versetzt, schwur Tristan den Tod. Er sandte mehrere bewaffnete Ritter seines Hofes aus, diese legen sich in Hinterhalt in einem Walde, wo Meliadus mit seinem Sohne öfter der Jagd pflegte. Meliadus wird ermordet, Tristan aber vom treuen Gouvernail gerettet und, da die böse Stiefmutter nun Regentin, zum König Pharamund von Gallien geführt.

Hier erlernte Tristan mancherlei Wissenschaft, auch das Brett- und Schachspiel, und ragte als der schönste und kräftigste Edelknabe seines Alters hervor. Belinde, Pharamund’s Tochter entbrannte in Liebe zu ihm und bekannte ihm dies Gefühl. Tristan ward gerührt, bewegt, ja versucht; allein Gouvernail belehrte ihn, daß die Ehre und Dankbarkeit verbiete, das Haus eines großen Königs zu beleidigen. Belinde, von ihrer Leidenschaft bethört, erspähete ihn in einem einsamen Gebüsch und warf sich in seine Arme. Als Tristan sie zurückwies, klagte Belinde ihn vor den hinzugekommenen Höflingen des Ueberfalls an. Man führte ihn vor Pharamund; der aber las in den Augen der Tochter ihre Schuld. Er gab ihr ein Schwert, den Beleidiger zu tödten; doch Belinde warf sich weinend dem Vater zu Füßen und flehte ihn an, ihr unseliges Herz zu durchbohren. Der König hob seine Tochter vom Boden auf, umarmte und tröstete sie, lobte und bewunderte Tristan. Da indeß sein Stand nicht bekannt, so weigerte er dessen Annahme zum Eidam und entließ ihn von seinem Hofe.

Gouvernail beschloß, Tristan zu König Mark, mit dem er eine Aussöhnung vermittelt hatte, zu führen. Ehe sie abreisten, erhielt Tristan einen rührenden Brief von Belinde, worin sie von ihm und vom Leben Abschied nahm, ihr Hündlein als Andenken ihm sendend. Tristan legte ihren Todesbrief auf sein Herz und das Hündlein ward ihm für immer theuer.

Bei seinem Oheim Mark übte und vervollkommnete er sich in Waffen und Ritterthum dergestalt, daß er seiner Stärke, seines höfischen Betragens und zugleich auch seiner Schönheit halber ebenmäßig bewundert ward.

Kampf gegen Morolt und Begegnung mit Isolde

Bald kam Morhoult (Morolt) von Irland, Bruder der Königin dieses Landes und einer der angesehendsten Ritter der Tafelrunde, nebst einer Anzahl Ritter in Cornwall an, um den schuldigen Tribut zu holen. Mark, darob sehr betrübt, kann kein Mittel finden, sich des Zwanges zu entledigen. Keiner seiner Mannen getraut sich, mit dem furchtbaren Morhoult sich zu messen. Tristan bittet, nach Berathung mit Gouvernail, den König um den Ritterschlag, und kaum hat er ihn erlangt, so fleht er den Oheim um die Gunst an, mit Morhoult zu kämpfen, um das Land von dem schimpflichen Tribut zu befreien. Mark gewährt nach Widerstreben die Bitte. Morhoult nimmt den Zweikampf an, der auf der Insel Sanson stattfindet und von dem alten Autor weitläufig geschildert wird. Es endet dieser Kampf – , der ruhmreichsten Thaten Tristan’s eine, mit der Besiegung Morhoult’s. Zwar wird Tristan schwer verwundet, aber sein Schwert spaltet dem Gegner das Haupt; dieser, dem Tode nahe und schamzerknirscht, wirft die Waffen weg und schifft sich ein, um im Vaterlande zu sterben.

Cornwall war von seinem schimpflichen Tribute befreit, allein Tristan an seinen Wunden schwer siech. Morhoult’s Lanze war vergiftet gewesen und die größte Wunde verschlimmerte sich von Tag zu Tag. Die Aerzte gaben Tristan auf, und so bat denn dieser auf Rath eines Fräuleins den König um Erlaubniß, in Logres (England) Hülfe zu suchen. Er reist dahin ab, sein Fahrzeug wird vom Sturm umhergetrieben und endlich nach zwei Wochen an die Küste Irlands verschlagen. Gott für seine Rettung dankend, ergreift Tristan seine Harfe und spielt so süß, daß seine Töne die Zuhörer bezaubern.

Der König von Irland und Yseult (Isolde), seine schöne Tochter, standen an einem Fenster gegen das Meer. Sie hörten die wonnigen Töne; der König stieg zum Gestade herab, sah, daß ein verwundeter Ritter der Harfner, ließ ihn in seine Burg bringen und befahl ihn seiner Tochter, „der lieblichsten Fürstin der Welt“, die sich auf die Kunst verstand, die gefährlichsten Wunden zu heilen. Tristan verbarg seinen Stand; Yseult pflegte seiner wohl und „von da begannen sie sich zu lieben“. Lange Zeit entging es der Fürstin, daß die Wunde vergiftet war. Während der Zeit veranstalteten mehrere Ritter der Tafelrunde und andere ein Turnier, darunter ein saracenischer Prinz Palamedes. Dieser, von Liebe zu Yseult entbrannt, gesteht der Prinzessin öffentlich seine Leidenschaft an einem vom König veranstalteten Feste. Tristan, der sich zum Feste hat tragen lassen, ist Zeuge, und an der Eifersucht, die ihn ergreift, nimmt er die Größe seiner eigenen Liebe wahr.

Trotz seiner schmerzhaften Wunde verließ Tristan in der Nacht vor dem Turnier heimlich das Lager, verbarg sich in dem an den Turnierplatz grenzenden Walde und erschien unter den Kämpfenden. Er wirft alles nieder, was sich ihm entgegenstellt, sticht Palamedes vom Roß und trägt den Kampfpreis davon. Allein seine Wunden bluten von neuem. Die schöne Yseult widmet sich mit verdoppelter Sorgfalt seiner Pflege. Jetzt erst nimmt sie wahr, daß ein feines Gift in den Wunden; sie geht aus, Heilkräuter zu suchen; ihr Bemühen um Tristan wird mit Erfolg gekrönt, und dieser erklärt ihr, fortan sein Leben ihr weihen zu wollen, offenbart jedoch Namen und seine Waffenthaten gegen Morhoult nicht.

Eines Tages schleicht sich ein Hoffräulein der Königin in Tristan’s Gemach, untersucht seine Waffen und entdeckt an seinem Schwerte eine gewaltige Scharte,von der sie vermuthet, sie könne nur entstanden sein beim Spalten des Hauptes von Morhoult. Sie theilt diese Entdeckung der Königin mit, welche den Schwertsplitter, so in Morhoult’s, ihres gestorbenen Bruders Schädel, stecken geblieben, in einer Schachtel bewahrte. Sie vergleicht den Splitter mit der Scharte in Tristan’s Schwerte; beide passen in einander. Mit Jammergeschrei fordert die Königin ihren Gemahl zum Einschreiten wider Tristan auf. Mit Erröthen, das ihn noch mehr verschönt, gesteht dieser vor dem ganzen Hofe seine That ein und erzählt, wie ihn der Sturm nach Irland verschlagen. Die Königin ruft um Rache; die schöne Isolde erbebt und erblaßt; ein unwilliges Gemurmel der Ritter zeigt, daß sie den verlangten Tod des eben so tapfern als schönen Tristan mißbilligen, und der König selbst fühlt seinen Zorn ersterben. „Ritter“, sprach er zu Tristan, „ihr habt mich sehr beleidigt, da ihr den Morhoult erschlugt; aber sehr schade wär‘ es auch, wenn ich euch tödten ließ. Ich schenke euch das Leben aus zwei Gründen: einmal wegen des tapferen Rittergeistes, der in euch waltet, und dann, weil ihr unter meinem Dache wohntet und ich euch Hülfe leistete, wie sie euch frommte. Euch tödten wär‘ ein zu großer Verrath. Aber mein Land müßt ihr meiden und nie wiederzukehren wagen, denn fänd‘ ich euch je, dann wär’s euer Tod.“ – „Herr“, sprach Tristan, „großen Dank!“ Darauf hieß ihm der König Waffen und ein Roß geben. Tristan blickte seufzend auf zu Yseult, bestieg gehorsam das Roß und ritt von dannen. Brangien, Yseult’s junge Ehrendame, welche die geheimsten Gedanken ihrer Herrin kannte, sandte ihre beiden Brüder dem Jünglinge nach, ihm als Geleit und Knappen zu dienen.

Brautfahrt für Marke und an König Artus' Hofe

Als Tristan nach Cornwallis zurückgekehrt war, heischte König Mark von ihm eine getreue Erzählung seiner Abenteuer. Tristan gab sie und machte eine so feurige, bezaubernde Schilderung von Yseult’s Schönheit und Reiz, daß der König, nachdem er von Tristan eine Gabe verlangt und deren Zusage an(?) die Reliquien hatte beschwören lassen, ihm befahl, Yseult zur Königin von Cornwall aus Irland für ihn heimzuführen.

Obwohl dem Tode entgegengehend, zögerte Tristan keinen Augenblick. Er legte zur Fürsorge fremde Waffen an und schiffte sich ein.

Ein Sturm verschlägt ihn an Englands Küste. Hier, in Cramalot, hielt damals König Artus seinen Hof, umgeben von den berühmtesten Rittern der Tafelrunde, welche stets fremde Ritter mit Ehren empfingen. Tristan verweilte einige Tage unerkannt, nimmt an mehreren Kampfspielen teil und bedeckt sich mit Ruhm. – Eines Tages landet König Argius von Irland, Yseult’s Vater, der auf Königs Artus Befehl erscheint, sich vom Verdacht eines an seinem Hofe begangenen Mordes zu reinigen. Blaaner, einer der furchtbarsten Ritter der Tafelrunde, war sein Ankläger und Argius‘ Alter und Kraft ihm nicht gewachsen. Dieser, der von des fremden, unbekannten Ritters Tapferkeit gehört, wählt ihn zu seinem Vertheidiger. „Ach, Herr!“ ruft Tristan, „ihr habt mich ja ehedem vom schimpflichen Tode gerettet; wohl ist es billig, daß ich das Leben für euch wage.“ Er giebt sich zu erkennen, Argius bewundert seinen Edelmuth und gelobt ihm Gewährung jeder von ihm geforderten Gabe nach dem Kampfe.

Tristan besiegt Blaaner, schenkt ihm aber das Leben und bezeigt ihm die größte Achtung, weil er der Verwandtschaft Lanzelot’s vom See angehört, nach dessen Freundschaft und Beistand es Tristan sehr verlangt. Nachdem ihm die Ritter die höchsten Ehren erwiesen, führt ihn Argius mit sich gen Irland. Die Königin bezeigt dem Retter ihres Gemahls lebhafte Dankbarkeit und vergißt, daß er einst ihren Bruder erschlagen.

Die Freude Yseult’s über die Rückkehr des Theuren und über die vom Vater ihm zugesagte „Gabe“ sollte nicht von langer Dauer sein. Mit Kummer und Verzweiflung im Herzen hält Tristan für Mark um die Hand Yseult’s an. König Argius gewährt und bald ist Alles zur Abreise der Prinzessin bereit. Am Abend vorher stellt die Königin, welche die Neigung der Beiden wohl wahrgenommen, der zur Begleiterin ihrer Herrin erlesenen Brangien eine Schale zu, das kostbare Geschenk einer Fee, und befiehlt ihr, den darin enthaltenen Liebestrank am Abend vor der Hochzeit in Yseult’s und Mark’s Becher gleichmäßig zu mischen.

Zurück nach Cornwall

Tristan und Yseult schiffen sich ein. Ein günstiger Wind schwellt die Segel. Die beiden Liebenden heften seufzend ihre zärtlichen Blicke auf einander. Die Strahlen der Sonne und die Glut ihrer Herzen verursachen ihnen einen peinigenden Durst. Yseult klagt zuerst darüber, und Tristan, das Fläschchen mit dem Liebestrank erblickend, das Brangien zu verbergen versäumt hatte, ergreift dasselbe und theilt seinen Inhalt mit Yseult. Was vermochten sie nun gegen solchen Zauber? Ein Sturm erhebt sich und droht die höchste Gefahr. Die Liebenden nehmen es nicht wahr, sie schwelgen nur in ihrem Glücke. Der Sturm wächst, das Schiff wird nach langem Kampfe mit den Wellen in den Hafen einer unbekannten Stadt geschleudert. Die Seefahrer steigen ans Land; auf ihre Frage berichtet ein Greis, den die Schönheit und Jugend der Beiden rührt, daß man sie nach dem Schlosse Plours führen müsse, wo ihnen von dem falschen gewaltthätigen Brunor der Tod drohe, wenn nicht der junge Ritter tapferer wie er und die junge Dame züchtiger und schöner als die seinige sei. Tristan und Yseult tragen den Sieg davon: Brunor und mehrere Riesen, seine Gesellen, fallen. Die Liebenden nehmen vom Schlosse Plours Besitz und verweilen drei Monden daselbst.

Endlich langen sie an Mark’s Hofe in Cornwall an. Der König ist entzückt von Yseult’s Schönheit; die Hochzeit wird gefeiert. Hatte die Liebe Tristan und Yseult zu einem Fehltritte verleitet, welchen das Herz entschuldigen darf und welchem der Liebestrank den Charakter der Unwillkürlichkeit aufdrückte: so hatte dieser Fehltritt nun einen Betrug im Gefolge. Yseult will nicht das Weib Mark’s werden. Nach Berathung zwischen Yseult, Tristan, Gouvernail und Brangien opfert diese sich für ihre geliebte Herrin, indem sie mit Mark das nächtliche Brautlager besteigt. Noch vor Tages Anbruch verläßt sie es und Yseult nimmt ihren Platz ein. Der König, von der Täuschung nichts ahnend, ernennt Tristan zum Dankeslohn dafür, daß er ihm eine so reizende Gattin zugeführt, zu seinem ersten Kämmerling, welches Amt am Hofe und auch bei der Königin den freiesten Zutritt gewährt.

Entführung Isoldes und Kampf Tristan's mit Palamedes

Die treue aufopfernde Handlung Brangien’s war nicht im Stande, aus Yseult’s Brust die Furcht einer Entdeckung durch Jene zu bannen. Sie ließ die Gefährtin heimlich in den nahen Wald Morois schleppen, um dort ihr Leben einzubüßen. Brangien’s Schönheit rührte ihre beiden Henker; sie frugen verwundert, welch‘ Verbrechen sie gegen ihre Herrin begangen? „Ach, nichts was ich wüßte!“ erwiderte sie. „Als Frau Yseult Irland verließ, hatte sie eine Lilienblume, die sie dem König Mark bringen sollte, und eins ihrer Fräuleins hatte eine andere. Die Königin verlor die ihre auf dem Meere und das Fräulein gab ihr durch mich die seine, die es bislang wohl gehütet hatte. Und für diesen Dienst will sie nun meinen Tod, denn sonst weiß ich keine Ursache.“ – Die beiden Männer verstehen das Rätsel nicht, aber außer Stande, die holde Schöne zu ermorden, binden sie dieselbe an einen Baum, bestreichen ihre Schwerter mit Blut und bringen der Königin falsche Todesnachricht, wobei sie jene Worte als die Worte einer Sterbenden wiederholen.

Da ward Yseult von der ganzen Größe ihrer Undankbarkeit reuevoll erfüllt. Gern hätte sie das Leben ihrer Freundin tausenmal mit dem eigenen erkauft. Zum Glück für Brangien zog Palamedes durch jenen Wald. Er vernahm ihr Angstgeschrei, erkannte sie wieder, löste ihre Bande und brachte sie in ein nahes Frauenkloster. Als er in den Wald zurückkam, sah er an einer Quelle die von ihm angebetete Yseult, verzweiflungsvoll sich das Haar raufend, einen Dolch in der Hand und die Worte rufend: „Nein, theure Brangien, theure Freundin, theures Opfer! Nein, ich werde dich nicht überleben!“ Palamedes eilt, ihr die Verlorengeglaubte wieder zu bringen. Die Königin umfaßt ihre Kniee, schließt sie in ihre Arme, benetzt sie mit Thränen und verspricht dem Retter eine Gabe, um die er bitten werde, zu gewähren. König Mark trifft währenddeß bei ihnen ein. Man macht ihm glauben, Brangien sei von Räubern entführt und von Palamedes befreit worden. Mark theilt die Freudengefühle seiner Frau so sehr, daß er die Gewährung jener Gabe selbst übernimmt. Palamedes fordert, Yseult fortführen zu dürfen. Wie weh es auch dem Könige that, – das Wort war gegeben, und nach den Gesetzen der Ehre zu erfüllen.

Tristan, der allein Yseult hätte retten können, war fern. Ein wackrer Ritter, Lambergues mit Namen, der an Mark’s Hofe weilte und dessen Wunden Yseult pflegte, vernahm deren Entführung. Seiner Schwäche nicht achtend, eilte er dem Entführer nach, erreichte ihn, ficht mit ihm, allein seine Wunden öffnen sich, er unterliegt und Palamedes schenkt ihm das Leben. Während des Kampfes entkömmt Yseult. An einem Flußgestade begegnet sie einem Ritter, dem sie sich zu erkennen giebt. Er nimmt sie auf sein Roß, durchschwimmt den Fluß mit ihr und bringt sie in einen Thurm, den sie, weil Palamedes naht, sogleich verschließt. Der Ritter will Palamedes aufhalten, sie fechten, jener fällt, und der Sieger, in Verzweiflung, Yseult seiner Gewalt entzogen zu sehen, wirft sich vor dem Thurm zur Erde und versinkt in tiefe Träumereien.

Inzwischen war Tristan an den Hof zurückgekehrt. Hier vernahm er Yseult’s Entführung. Mit Gouvernail eilte er der Königin nach und fand den sie schützenden Thurm, auch Palamedes, den indeß Nichts aus seinem tiefsinnigen Brüten zu erwecken vermochte, bis Gouvernail ihn beim Helm faßte und tüchtig schüttelte. „Treuloser Ritter!“ rief Palamedes, „du bist sehr unhöflich, mich aus meinen Gedanken zu reißen!“ Gouvernail aber entgegnete: „Palamedes, eure Gedanken helfen euch nichts. Hier ist Tristan, der euch zum Kampfe fordert.“ – „Tristan?“ sprach Palamedes, „war’s nicht genug, daß du mir Yseult in Irland entrissest? Willst du mich jetzt wieder von meiner Liebe entfernen und sie mir rauben, die ich gewann?“

Dies alles fruchtete jedoch nicht das Mindeste. Der Kampf zwischen den zwei tapfersten Rittern der Welt entbrennt. Die Gefahr, in der Tristan schwebte, bewog Yseult, die Zeugin vom Thurm aus, herab zu gehen und die Streiter zu trennen. „Palamedes, ihr versichert, mich zu lieben; so werdet ihr mir denn eine Bitte nicht abschlagen.“ „Dame,“ antwortete er, „ich will euren Befehl vollziehen.“ „Ich gebiete,“ sagte Yseult, „daß ihr diesen Zweikampf aufgebt und an den Hof Königs Artus euch begebt, der Königin Ginievre (Ginevra) meinen Gruß bringet und ihr sagt, es gebe in der Welt nur zwei Damen: sie und ich, und zwei Ritter: ihr Freund und der meine. Weiter befehle ich euch, daß ihr nie dahin kommt, wo ich mich befinde, außer in Großbritanien.“ – Palamedes zerfloß in Thränen: „Ach Dame!“ sprach er, „ich werde eure Botschaft vollziehen; hinterlistigerweise habt ihr mich von euch entfernt; aber ich bitte euch, daß ihr euer Herz keinem Unwürdigen schenket!“ „Palamedes,“ versetzte die Königin, „ich würde nie froh sein können, wenn ich in meiner ersten Liebe schwankte.“

Palamedes entfernt sich. Yseult kehrt in den Thurm zurück; Tristan folgt ihr und legt seine Waffen ab. In der Trunkenheit seiner Leidenschaft wagt Tristan den Gedanken, die schöne Yseult selbst zu entführen; allein das Nachdenken einer langen Nacht und die Stimme der Ehre rufen ihn zu Gesinnungen zurück, die einem Ritter besser ziemen. Den folgenden Tag bringt er Yseult zu ihrem Gemahl.

Intrigen am Hofe König Mark's

Der König zeigte sich sehr dankbar gegen Tristan. Allein in seines Herzens Grunde nährte er eine schwarze Eifersucht wider ihn. Eines Tages befanden sich Tristan und Yseult allein in den Gemächern des Königs. Andret, ein „boshafter und neidischer“ Ritter, erblickte durch das Schlüsselloch die Beiden, wie sie, am Schachbrett sitzend, nicht Schach spielten. Er eilte zu Mark und warf ihm vor, „er wäre der schlechteste König und der größte Einfaltspinsel, wenn er in seinem Lande den Mann litte, der seine Frau erniedrige“. „Wer ist der Mann?“ frug der König. „Herr, das ist Tristan. Ich habe es längst schon wahrgenommen, wollt‘ es aber nicht sagen, weil ich glaubte, er werde in sich gehen. Nun könnt ihr sie aber in eurem eigenen Gemache selbander allein treffen.“

Der König ergriff alsobald sein Schwert und eilte dorthin. Gouvernail, der die Wache an der Thür nur einen Augenblick vernachlässigt hatte, gab Tristan ein Zeichen. Der König stürzte wüthend herein und rief: „Elender Vasall! Du hast mich in meiner Frau beschimpft, ich fordere dich!“ Tristan vermied den ersten Stoß, ergriff ein Schwert, und indem er seinen Arm in seinen Mantel wickelte, den er umzuthun noch Zeit gehabt, stellte er sich dem König. Vergebens rief dieser seine Ritter herbei, seinen Gegner zu ergreifen. Sie weigerten es; denn Tristan war von ihnen zu gefürchtet und zu geliebt. In solcher Lage lief der König davon; Tristan aber in schlimmer Stimmung von Gemach zu Gemach hinter ihm drein, bis er ihn erreichte und mit dem flachen Schwerte ihm einen Streich über das Ohr versetzte, von dem er betäubt zu Boden fiel.

Tristan vermeinte denn doch, dieser Strauß mit seinem Oheim könne verdrießliche Folgen haben. So versammelte er seine Freunde und zog mit ihnen bewaffnet sich zurück in den Wald Morois, nahe bei Eintageul (Tintageul), wo der König seinen Hof hielt. In der Hoffnung, die theure Yseult wiederzusehen, hielt er sich hier lange Zeit verborgen und versäumte keine Gelegenheit, dem König Mark allen möglichen Abbruch zu thun, so daß dieser die Stadt zu verlassen sich nicht mehr getraute.

Inzwischen drangen die großen Barone seines Königreichs, in Erinnerung an den Sieg, durch welchen Tristan das Land vom irländischen Tribut befreiete, in den König, ihn zurückzurufen. Brangien überbrachte ihm die Einladung Yseult’s zur Rückkehr, jedoch mit der Mahnung, auf seiner Hut zu sein gegen jeden neuen Verdacht. Tristan bedeckte den Brief der Geliebten mit seinen Küssen, verbarg ihn im Busen und kehrte an den Hof zurück. Der König zeigte ihm ein freundlich Gesicht, ihn zu täuschen, und so wähnte er sich im Palast sicherer denn je. Der günstigen Gelegenheit, sich wieder zu sehen, nahmen aber beide Liebende wahr.

So liebenswürdig auch Tristan sich gezeigt, hatte er doch durch seine glänzende Tapferkeit heimlichen Feindschaften nicht entgehen können. So gelang es denn einem Cornwalischen Ritter, dessen Bruder Tristan in einem Turnier getödtet, ihm den empfindlichsten Streich zu spielen. Er führte ein fremdes Weib an den Hof, daß ein bezaubertes Trinkhorn in der Hand trug. Das Weib wandte sich an den König mit den Worten: „Herr, dies Horn ist sehr schön, aber noch wunderbarer als schön: denn es lässet die Frauen erkennen, die ihrem Gatten die Treue nicht bewahrt. Laß die Probe dessen machen; laß das Horn mit Wein füllen und gieb es dann den Damen zum Trinken. Diejenigen, so ihrem Herrn die Treue gebrochen, werden den Wein verschütten, die aber, so die Treue bewahrt, werden trinken, ohne zu vergießen.“ (Es ist dies dasselbe Märchen, das unserm Roman Ariost so reizend nacherzählt, das uns auch voraus schon ein Parzeval des Chretien de Troyes – 1190 – begegnet und gleich der ähnlichen Geschichte von dem kurzen Mantel später zum Volksmärchen und Lais geworden.)

Tristan entfernte sich während der Zeit der Probe, nachdem er vorher seine Freunde hatte geloben lassen, Yseult zu vertheidigen, falls der König ihr Leben bedrohe. Dieser hatte die sämmtlichen Frauen seiner Hofleute zu dem bedeutsamen Akt entbieten lassen. Die Damen bezeigten nicht eben große Lust, die Probe zu bestehen. Doch der Widerstand nützte nicht, und – sie waren ungeschickt genug, den Inhalt des Horns zu verschütten. In diesem Augenblick erhoben sich die wackeren Männer einmüthig gegen den König. „Herr! Beschuldigt eure Gattin so viel ihr wollt oder könnt; wir werden es aber den unseren um so kleiner Ursach willen nicht anthun!“ – „Gut“, entgegnete der König, „ihr habt also nicht erkannt, daß sie euch betrogen?“ – „Mit nichten!“ antworteten sie, „das Horn ist ohne Zweifel vom Zauber eines höllischen Geistes besessen, und wir wenigstens wollen unsere Frauen nicht verstoßen!“ Mark, der seine schöne Frau zu lieben nicht aufgehört, war dessen gar froh und sprach zu seinen Höflingen: „O, werthe Herren von Cornwall! Da ihr eure Frauen freisprecht, so thue ich es mit der meinigen desgleichen auch und erkläre den Ausspruch des Horns für eine baare Lüge!“

Tristan kam an den Hof zurück; allein der „boshafte“ Andret bereitete neue Verlegenheiten. Er legte ihm und der Königin am Fuße des Bettes derselben eine verborgene aus Sicheln bestehende Falle, die denn auch ihren Dienst nicht versagte. Nicht lange darauf gelang es einem Neffen Andret’s, beide Liebende bei einer neuen Zusammenkunft zu überraschen. Nun bemächtigte man sich ihrer; die Königin ward in einen finstern Kerker geworfen. – Der König läßt Tristan den Prozeß machen, und die Cornwall’schen Barone – wie unser Buch sagt eben so einfältige Richter, wie schlechte Fechter – verurtheilen ihn zum Tode. Der Tag ist angesetzt; er soll auf einem Hügel in der Nähe der Stadt sterben. Gouvernail und seine Freunde bewaffnen sich, ihn zu retten; allein der tapfere Tristan ist sich selbst genug. Kaum außerhalb seines Gefängnisses, zerbricht er seine Bande, schlägt zwei seiner Wächter nieder, bemächtigt sich des Schwertes des einen und flüchtet sich in eine Kirche. Der feige Andret, der Anführer der Wache, verfolgt ihn und greift ihn an. Tristan durchbohrt ihn und haut die Verwegensten seiner Gegner nieder. Er ist auf dem Punkte, der Menge zu unterliegen. Er rettet sich auf einen hohen Thurm am Fuße des Meeres, empfiehlt sich „seiner Freundin Yseult und dem süßen Erlöser“ und stürzt sich in die Wellen. Bald taucht er wieder auf, schwimmt rüstig fort und erklimmt einen Felsen.

Die Lage der armen Yseult war nicht weniger bedrängt. Schon war sie den hartherzigen Henkern überantwortet, um nach den schimpflichsten Mißhandlungen einen grausamen Tod zu erleiden. Da eilt eines ihrer Fräulein mit lautem Geschrei dem kleinen Gehölze zu, worin Tristan’s Ritter im Versteck lagen. Sie benachrichtigt dieselben von der drohenden Gefahr; die Ritter brechen hervor, machen die Henker nieder und befreien die Königin. Diese, vom Tode Tristan’s überzeugt, wirft jeden Trost zurück und will selbst den Tod. Gouvernail führt sie in die Kirche, wohin der Theure sich rettete, und auf den Thurm, von dem er herabsprang. Nirgends eine Spur. Doch das Auge der Liebe ist scharf. Yseult erkennt Tristan auf dem Felsen im Meere. Ein Theil seiner Freunde bleibt zu ihrem Schutze zurück, ein andrer eilt Tristan auf einem Kahne zu Hülfe und führt ihn der Geliebten zu. Die Wonne der Liebenden war ohne Grenzen. „Dame“, sprach Tristan, „nun ich euch in Sicherheit weiß, fehlt mir nichts mehr, und da Gott uns vereint hat, soll uns nichts mehr trennen!“ „Gewiß“, erwiderte Yseult, „das erfreut mich sehr, und ich will lieber arm sein mit euch, als reich ohne euch!“

Flucht von Tristan und Isolde

Das liebende Paar kannte die ihm drohende Gefahr zu wohl, um nicht auf einen sichern Zufluchtsort bedacht zu sein. Sie fanden denn einen solchen im Inneren des Waldes Morois. Dort verbrachten sie einige Monate ruhig und selig, bis gedungene Späher Mark’s sie entdeckten. Eines Tages, als Tristan mit Gouvernail der Jagd oblag, ließ der König Yseult aus ihrem wonnigen Versteck entführen und in den Thurm einsperren, von welchem Tristan herabsprang. Trotz alledem fand Mark seine Gemahlin viel schöner denn je und entbrannte von neuem in heftiger Liebe zu ihr.

Tristan war indeß, ahnungslos, beim Verfolgen eines Rehes am Rande einer Quelle eingeschlafen. Der Sohn eines der Wächter, die er bei der Flucht einst getödtet, war ihm, um seines Vaters Tod zu rächen, längst schon nachgeschlichen. Der feige Verräther trifft ihn mit einem Pfeil in den linken Arm. Tristan erwacht, ergreift seinen Feind, zerschmettert ihn am nächsten Baum, zieht den Pfeil aus der Wunde und gewahrt, daß er vergiftet ist. Von der Hoffnung auf Yseult’s Geschicklichkeit beruhigt, eilt er zum Asyl zurück. Da erfährt er von ihrer weinenden Zofe Yseult’s Mißgeschick. In seiner Verzweiflung denkt er auf Selbstmord. Schon ist der Arm zum Todesstreich gezückt, da zeigt ihm der Schmerz seiner Wunde, daß sein Ende ohnehin nahe. Der treue Gouvernail vermittelt ihm eine Unterredung mit Brangien. Tief ergriffen von seinem unglück, räth sie ihm, ohne Aufschub nach Nieder-Bretagne überzuschiffen, um Hülfe von der schönen Tochter Königs Huel, Yseult „mit den weißen Händen“, die an Geschicklichkeit in Heilung der Wunden seiner angebeteten Yseult nicht nachstehe, zu suchen. So befolgt er denn den Rath und langt an Huel’s Hofe unter dem Namen des „unbekannten Ritters“ an. Der König, von seiner Schönheit und seinem edlen Wesen ergriffen, empfiehlt ihn der Tochter; die Liebe hatte ihn aber bereits noch besser empfohlen.

Isolde mit den weißen Händen

Die schönen Hände der neuen Yseult beschäftigten sich wohlthuend mit Tristan’s Wunden; eine sanfte Empfindung, eine süße Wärme bei der Berührung des Arms überzeugten den Kranken, daß seine Heilung das Werk Yseult’s sein werde; und so war es. Wie dankbar mußte er seiner Retterin sein! – Da überfiel ein benachbarter mächtiger Graf König Huel’s Land, schlug sein Heer und rückte gegen die Hauptstadt. Vergebens fordert Huel seine Ritter zur Hülfe auf. Gouvernail hatte ihm gesagt, daß er den berühmtesten und tapfersten aller Ritter bei sich beherberge. Huel bittet Tristan um Schutz. Freudig gewährt ihn dieser; er bewaffnet sich, macht an der Spitze der Mannen einen Ausfall, schlägt das feindliche Heer in die Flucht, tödtet den Grafen und kehrt als Sieger zurück. Der König, dankesvoll und von seinem Sohne Pheredin unterrichtet, wer sein Retter, bietet Tristan alsobald die Hand seiner Tochter an.

Jetzt begann ein heftiger Kampf in Tristan’s Seele. Noch immer liebte er die erste Yseult innig; aber die schönen und weißen Hände der zweiten hatten ihm das Leben gerettet. Er gedachte seines alten Glücks, aller Opfer, die ihm die erste gebracht, aller Freuden, die sie ihm geschenkt hatte. Aber im selbigen Augenblick nagte die Reue über diese Freuden in seinem Herzen; sie erschienen ihm jetzt nur als Verbrechen; er machte sich bittere Vorwürfe über seine Handlungsweise gegen den Oheim. Ein Grundzug von Rechtschaffenheit, der ihn nimmer verlassen, flößte ihm den Wunsch ein, einer vor den menschlichen Gesetzen unerlaubten Liebe zu entsagen, auf daß er den Seelenfrieden wieder finde, dessen ein edles Herz doppelt bedarf. Alle diese Betrachtungen und Yseult’s schöne Hände bestimmten seinen Entschluß, und so entschied er sich für sie. Allein die Liebe bestraft stets eine Untreue. In den Armen seiner eigenen Frau steigt das Bild seiner ersten Geliebten mit doppelter Macht vor ihm auf. Die ahnungslose Gattin schwelgte in ihrem süßen Glück. Ein ganzes Jahr weilte Tristan so am Hofe seines Schwiegervaters.

Endlich drang die Nachricht von seiner Vermählung nach Cornwall. Mark eilte mit boshafter Freude zu seiner Gattin, sie ihr mitzutheilen. Die unglückliche Yseult vermochte nicht, ihren Schmerz zu verbergen. Sie schloß sich mit Brangien ein und rief unter heißen Thränen: „Ha, Tristan! Hast du das Herz gehabt, die zu verrathen, die dich mehr liebt als sich selbst? Ist es also, daß ich sehen muß, wie du in den Armen einer Anderen schwelgst, indeß ich vor Gram und Schmerz vergehe, so bitt‘ ich Gott, daß er mir bald den Tod sende.“ –

Wir müssen uns darauf beschränken, den übrigen Inhalt des überaus stoffreichen und werthvollen alten französischen Romans, welcher die Sitten und Gebräuche seiner Zeit mit großer Treue abspiegelt, in den kürzesten Grundlinien zu geben, so anziehend, ja, belehrend er auch überhaupt und in seinen oft reizenden und köstlichen, von späteren Dichtern zum Theil benutzten und nachgeahmten Details, seinen lebensvollen, naiven wie sinnigen Schilderungen.

Yseult schreibt an Ginievre, Königs Artus Gemahlin, – die zu dem berühmten Lanzelot vom See in ähnlicher freundschaftlicher Beziehung stand, wie Yseult zu Tristan, – einen Brief, worin sie ihr Loos mittheilt und um Trost bittet. Ginievre macht den Freund mit dem Inhalt bekannt; dieser gelobt, Tristan ob seiner Untreue zu züchtigen. Unterdeß ist die alte Liebe zu der „blonden“ Yseult in Tristan mit erneueter Stärke erwacht und er sinnt darauf, nach Cornwall zurückzukehren. Beim Fischen wird er mit seiner Gemahlin und deren Bruder Pheredin von den Wellen verschlagen. Nach manchem Abenteuer kommen sie wieder in die Heimat. Tristan bekennt seinem Schwager seine erste Liebe und wie ihn der Liebestrank noch an die blonde Yseult feßle, die er so reizend schildert, daß Pheredin danach trachtet, sie zu sehen.

Ein sehnsuchtathmender Brief von Yseult aus Cornwall, durch Brangien überbracht, bestärkt Tristan in dem Entschluß, zur Geliebten zu eilen. Er schützt dringende Geschäfte in seinem Königreiche Leonois vor und reist mit Pheredin und Brangien ab. Unterwegs besteht er neue Abenteuer zu Logres in Großbritanien mit Rittern der Tafelrunde: Lanzelot, dessen Bruder Hector, Amoral, Treu (Kei) und Andern. Er sucht mit ihnen König Artus auf, den das „Fräulein vom See“ im abenteuerlichen Walde Arnantes in Bezauberung hielt, und befreit ihn aus seinen Banden.

Rückkehr zur blonden Isolde

Er schifft sich dann mit Pheredin und Brangien nach Cornwall über. Dort führt diese ihn in das Schloß des Seneschalls Dinas, der ihnen eine geheime Zusammenkunft mit Yseult verspricht. Inzwischen hat sich Pheredin, der sich an den Hof Mark’s begab, dort in Yseult verliebt; er kehrt mit dem Liebespfeil im Herzen zu Tristan zurück und richtet an Yseult einen zärtlichen Brief; sie erwidert freundlich, um ihn zu trösten. Tristan findet die Zeilen und will, von Eifersucht entbrannt, Pheredin tödten, aber dieser entflieht. Tristan irrt schwermüthig im Walde umher. Ein Fräulein, das seine Liebe zur Musik und sein schönes Harfenspiel kennt, brigt ihm eine Harfe. Er singt dazu sein Abschiedslied (lay de mort) an seine „süße Feindin“ Yseult und vermacht darin Lanzelot Harnisch und Lanze. Yseult, die erfahren, daß ihr Brief an Pheredin den Geliebten in seinen Zustand versetzt habe, richtet einen zweiten Brief an jenen so harten Inhalts, daß er davon stirbt. Auch sie stimmt ein sehnsüchtiges Lied an Tristan zur Harfe an, das Mark belauscht. Furchtlos bekennt sie dem König ihre Liebe, die Liebe zu einem Todten, als den sie Tristan wähnt und will sich in ein Schwert stürzen, das ihr Tristan zurückgelassen. Der König verhindert sie an der That und befiehlt sie der Sorge des treuen Dinas und Brangiens. Neue falsche Nachrichten lassen Yseult in Tristan’s Augen untreu erscheinen; er verfällt in Wahnsinn und verübt in diesem Zustande verschiedentliche schreckliche und seltsame Thaten. Er erlegt den furchtbaren Riesen Taullas, der Cornwall verheert, und wird zu Mark gebracht, der ihn anfangs nicht erkennt. Desto schneller erkennt die entzückte Yseult den Geliebten. Bald geneset er in deren Nähe, schöner blühend denn je. Der Seneschall Dinas ist Beiden günstig, Andret aber verräth sie wiederum dem König und Tristan muß abermals das Land verlassen. Er schifft sich nach dem Königreiche Logres ein, wo er Lanzelot zu finden und sich mit ihm zu vereinigen gedenkt. Hier besteht er neue Abenteuer mit Rittern der Tafelrunde und gewinnt unerkannt den Preis in einem Turnier an Artus‘ Hofe.

Aufnahme in die Tafelrunde König Artus'

Man will ihn unter die Ritter der Tafelrunde aufnehmen, aber er entweicht. Lanzelot, Ywain und andere Ritter suchen nach ihm, gelangen gen Cornwall, wo sie ihn vermuthen, ohne ihn zu finden und spotten seiner zu Ehren des Königs Mark. Dinas, der Verehrer Tristan’s, veranstaltet ihnen Feste. Endlich finden sie Tristan in Logres, wo ihn nebst Palamedes ein Ritter Aras, dem er im Turnier zwei Söhne getödtet, gefangen hält, ihn aber mit Palamedes hochherzig entläßt. Er durchstreift Norgales und besiegt in einem Turnier selbst König Artus, trifft dann zum ersten Male mit dem Helden Lanzelot zusammen. Nach kurzem Kampfe erkennen sie sich, tauschen die Waffen und schließen Freundschaft, ziehen nach Cramalot und Tristan wird von dem hocherfreuten Artus feierlich zum Ritter der Tafelrunde geschlagen, die nun die beiden berühmtesten Ritter der Welt: Lanzelot und Tristan, die ihrigen nennt.

Der Stifter der Tafelrunde war, der Sage zufolge, der große Zauberer Merlin. Dreizehn Sitze, zum Andenken der Jünger Jesu, zählte sie, aber nur zwölf durften besetzt werden und zwar nur mit den besten Rittern; der dreizehnte Sitz, den des Verräthers Judas vorstellend, blieb stets leer. Er hieß „der gefährliche Sitz“ (le siége périlleux), dieweil ein verwegener und stolzer sarazenischer Ritter, der es einst gewagt, ihn einzunehmen, von der Erde in Flammen war verschlungen worden. Eine geheime magische Macht schrieb auf die Lehne jeden Stuhls den Namen des für ihn bestimmten Ritters. Der neue Bewerber mußte den früheren Besitzer an hohen Thaten übertreffen, sonst wurde er von einer unsichtbaren Gewalt davon zurückgestoßen.

So war der Stuhl Morhoult’s von Irland zehn Jahre lang leer geblieben. Artus nahm Tristan bei der Hand und führte ihn zu diesem Sessel. Alsbald ließen sich harmonische Töne vernehmen, feine Düfte durchzogen die Luft. Der Name Morhoult’s verschwand und der Tristan’s erschien in strahlendem Licht. Darauf erschienen die „Sires Clerce“ – die heutigen Großoffiziere der Orden: Bewahrer der Gesetze und Register der Tafelrunde. Er mußte dem geleisteten Eide gemäß alle seine großen Thaten erzählen, die aufgeschrieben und bewahrt wurden.

Nach diesem feierlichen Akte der Staatsgeschäfte gedenken Lanzelot und seine schöne Ginievre gegen Tristan eines zarteren Gegenstandes: Yseult’s, des Wunsches voll, sie durch einen glücklichen Zufall gegen Logres geführt zu sehen.

Mark, von Eifersucht gepeinigt, zieht mit Yseult und Brangien sammt einigen Cavalieren als Pilgrim nach Logres, in der Absicht, Tristan zu tödten; allein er wird entdeckt und erfährt allerlei Unfall, Verlegenheit und Schimpf.

Yseult, mit ihrer treuen Brangien von Mark in einer Abtei gelassen, sehnt sich nach Tristan und Nachrichten von ihm. Sie gräbt seinen Namen in die Rinde der Bäume des nahen Waldes und singt einen Leich an den Geliebten. Ein unwürdiger Ritter, Breus, überfällt sie. Da naht ein fremder Ritter und jagt Breus in die Flucht; – es ist Tristan, an dessen Brust die Geliebte erwacht. Nach den Satzungen der Tafelrunde mußte jeder ihrer Ritter am Tage nach seiner Aufnahme zehn Tage lang auf Abenteuer ausgehen; seinen Genossen war es verstattet, ihm in fremden Waffen zu folgen und eine Lanze mit ihm zu brechen. Zu diesem Behuf war Lanzelot Tristan nachgeeilt und fand ihn Brust an Brust mit Yseult, ohne diese zu kennen. Beide vermeintliche Gegner geriethen aneinander, bis Tristan den Gefährten erkannte. Er führt Lanzelot zur Königin Yseult, und diese empfängt ihn mit Freude und Huld. Sie wenden sich alle drei zur Abtei, und der alte Dichter erzählt, daß ihr Mahl sehr heiter gewesen, daß sie sich ihre Fahrten mitgetheilt, und sich viel von der reizenden Ginievre unterhalten hätten.

Lanzelot bricht folgenden Tages auf mit tausend zärtlichen Grüßen Yseult’s an die schöne Ginievre. Noch drei Tage von seinen zehn waren Tristan übrig. Er verbringt sie mit der Geliebten in seliger Heiterkeit, bis ihn Brangien mahnt, daß sein Oheim am Hofe Königs Artus und jeder Verdacht zu vermeiden sei. Schweren Herzens trennt sich Tristan und kehrt nach Cramalot zurück. Artus, Mark’s Lehnsherr, läßt sich von diesem vor dem versammelten Hofe die Erfüllung einer Bitte versprechen und fordert eine Aussöhnung mit Tristan. Mark gelobt es auf die großen Reliquien, umarmt Tristan und Lanzelot droht ihm Rache, wenn er je gegen seinen Freund etwas unternehme. Mark reist mit Tristan ab, Beide holen Yseult aus der Abtei und fahren selbander nach Cornwall, nicht ohne daß vorher eine alte Nonne Mark ins Ohr geflüstert, sie habe den schönen Ritter, den er mitgebracht, auf den Knieen vor Yseult liegen sehen.

Nach wenigen Tagen kommen sie in Cornwall an. Der Hof giebt glänzende Feste; im Geheimen aber überwacht Andret, der allzeit Dienstwillige, das Gebaren der Liebenden, mit dem Erfolge, daß Yseult in einen Thurm, Tristan in einen finstern Kerker von Mark geworfen werden.

Während der treue Gouvernail nach Leonois sich begiebt, um für Tristan’s Befreiung ein Heer dort anzuwerben, erscheint Parcival, ein junger Ritter der Tafelrunde, später so berühmt durch die Gewinnung des heiligen Grals, an Mark’s Hofe. Empört über die schnöde Behandlung und Wortbrüchigkeit, setzt er Mark zur Rede, stürzt Andret aus dem Fenster und befreit Tristan, händigt ihm seine Waffen ein und Beide holen die Königin aus dem Thurme. Parcival läßt Mark vor seinen Baronen abermals Sühne schwören, küßt Yseult die Hand, schließt mit Tristan Waffenbrüderschaft und zieht zu den ihm bestimmten großen Thaten von dannen.

Andret, von seinem Fall hergestellt, belauscht bald wieder die Liebenden in dem Garten des Dinas von einer Fichte herab und verwundet beide durch einen Pfeil. Tristan entflieht. Ein König, Helias, überfällt während Tristan’s Abwesenheit Mark’s Lande und belagert die Hauptstadt Eintageul. Tristan, von Dinas herbeigerufen, befreit den bedrängten Mark von seinem Feinde. Dennoch legt der eifersüchtige Mark ihn wieder in Bande, aus welchen ihn Gouvernail an der Spitze einer Schaar Mannen aus Leonois befreit. Mark’s Leute empören sich gegen diesen, werfen ihn in denselben Kerker, worin Tristan schmachtete, und Andret wird vom Volke in Stücke zerrissen. Tristan begiebt sich mit Yseult und Gouvernail in sein Land Leonois, wo sie mit Jubel empfangen werden, darauf nebst Yseult nach Logres, nachdem Gouvernail sich mit Brangien vermählt hat und zum Regenten des Landes von Tristan während seiner Abwesenheit eingesetzt worden.

Verkleidet kommen Tristan und Yseult zu Lanzelot’s Schloß „La joyeuse Garde“, wo Artus mit den Seinen der Ritterspiele pflrgt. Tristan besiegt fünfzehn Ritter sammt Lanzelot, dem er sich dann zu erkennen giebt. Er weilt mit Yseult in Lanzelot’s Schloß, indeß dieser mit den Uebrigen sich nach Cramalot zurückbegiebt. Palamedes, Tristan’s Nebenbuhler, befehdet ihn hier mehrmals, scheidet aber, durch Tristan’s Großmuth besiegt. Artus und seine Gemahlin besuchen das Liebespaar.

Artus ging zu jener Zeit damit um, den heiligen Gral zu gewinnen. Der damalige Hüter und König desselben, Pecheur (mit der Doppelbedeutung Fischer und Sünder, – der Anfortas im Parcival Wolfram’s von Eschenbach), ein Abkömmling Joseph’s von Arimathia, hatte das Gesetz strengster Keuschheit, dem sich der Pfleger des Heiligthums unterwerfen mußte, nicht gehörig beobachtet und war deshalb schon seit fünfzig Jahren von der heiligen Lanze verwundet worden. Merlin hatte prophezeiet, Pecheur werde immer siech bleiben und des Himmels Gnade sich nicht wieder ganz über die Christenheit ausbreiten, bis ein reinerer Ritter den Gral berühre und mit sich führe; derselbe dürfe auch ohne Gefahr den dreizehnten Stuhl der Tafelrunde einnehmen. Parzival der Waleise (le Galois) war der Beglückte. Die Stimme Merlin’s aus seinem Grabmahl im Walde Darnantes (Breceliande oder Soltane, in der Bretagne bei Plöermel) – worein ihn seine geliebte Viviane durch den ihm abgelernten Zauber unter einem Weißdornbusch mit einem magischen Thurme bei der Quelle von Barendon eingeschlossen, ohne die Formel der Zauberlösung wiederzufinden – hatte den König Artus zu dem Unternehmen der Befreiung des Grals aus Pecheur’s Händen aufgerufen, da der Held dazu geboren sei. Tristan schloß sich dem Heere von Artus an.

Inzwischen hatte Dinas in Cornwall regiert und endlich mit Zustimmung der Barone den König Mark aus dem Gefängniß erlöst. Auf Artus‘ Begehren nimmt Mark Yseult wieder auf, weigert aber Tristan gleiche Gunst. Der Schmerz der Trennung von der Geliebten wirft Tristan in Trübsinn, den auch die von Artus und Lanzelot für ihn in Cramalot veranstalteten Feste zu zerstreuen nicht vermögen. Während der Rüstungen des Königs Artus zur Gral-Expedition kehrt Tristan zu seiner Gattin Yseult mit den weißen Händen zurück, in der Hoffnung, bei ihr den ersehnten Seelenfrieden zu finden. Die Tugenden der Gattin flößen ihm Achtung gegen sie ein, allein die Liebe zur blonden Yseult war nimmer erloschen und konnte es nicht, vermöge des Liebestranks.

Erneute Verwundung Tristan's

König Huel, sein Schwiegervater, erliegt einer Krankheit, nachdem er zuvor seinen ältesten Sohn und Erben Pheredin und seinen zweiten Sohn Runalen dem Schutze Tristan’s empfohlen. Die Vasallen empören sich gegen Runalen, dem aber Tristan sie unterwerfen hilft. Bei der Belagerung von Nantes wider die Empörer wird Tristan durch einen Steinwurf von der Hand des Ritters Lestoc schwer verwundet. Er verlangt nach seiner Gattin; aber alle Kunst und Sorgfalt derselben kann ihn nicht heilen.

In dieser traurigen Lage erinnert ein alter Diener, Namens Gesnes, Tristan an seine frühere glückliche Heilung durch die Prinzessin von Irland, seine blonde Yseult. Die Gattin willigt ein, daß Gesnes sie herbeihole. Vor seiner Abreise giebt Tristan ihm seinen Ring mit den Worten: „Bringe ihn der Königin von Cornwall, sag‘ ihr, daß Tristan, dem Tode nahe, um ihre Hülfe flehe. Bringst du sie mit, so ziehe weiße Segel auf, weigert sie zu kommen, schwarze; sie werden die Verkünder meines gewissen Todes sein.“

Die Lehren eines Heiligen bei der blonden Yseult und die feierliche Verpflichtung zur Miteroberung des Grals, welche Tristan an Merlin’s Grabe übernommen, hatten – wie der alte Erzähler meldet – Beider Liebe gereinigt und in eine zärtliche Freundschaft umgewandelt.

Die blonde Yseult gewährt Gesnes‘ Bitte; sie schifft sich mit ihm von Cornwall nach Bretagne ein; weiße Segel glänzen auf dem Fahrzeug.

Tristan, dessen zunehmende Schwäche ihm nicht mehr verstattete, sich an das Ufer tragen zu lassen, um das Schiff zu erspähen, sandte eine junge Verwandtin seiner Frau täglich an das Ufer. Ach! Die sanfte Yseult Weißhand hatte in ihrem Herzen das Gefühl der Eifersucht aufkommen lassen und befahl ihrer Nichte, Tristan zu verkünden, das Schiff führe schwarze Segel, auch wenn es weiße seien.

Da nahte das Schiff mit der ersehnten Yseult und den weißen Segeln. Die falsche Kunde wird Tristan gebracht. Er stößt einen tiefen Seufzer aus und haucht mit den Worten: „Ach, süße Freundin, Gott befohlen! Nie sehe ich dich nun wieder. Leb‘ wohl, ich grüße dich!“ den Geist aus.

Yseult vernimmt bei ihrer Ankunft die Trauerbotschaft, die in der Stadt ausgerufen wird. Sie eilt in Tristan’s Gemach, wirft sich auf seinen Leichnam, küßt seine kalte Stirn, legt ihre Hand auf das sonst so zärtlich und warm schlagende Herz, in dem sie vergebens einen Lebensfunken sucht. Sie drückt einen letzten Kuß auf Tristan’s Lippen und ihn umschlingend stirbt sie.

An Tristan’s Schwert fand man zwei Briefe: an den Bischof von Nantes und an König Mark. Der erste enthielt neben dem Ausdruck der Reue und einer Anzahl frommer Stiftungen, die Bitte, seine Leiche nach Cornwall zu bringen, der andere mit der Meldung von dem verhängnißvollen Liebestranke, die Bitte um Verzeihung der Kränkungen.

Der Bischof führte selbst die Leichen des Paares nach Cornwall über. Mark’s Wuth bei der heimlichen Abreise Yseult’s wandelte sich nun beim Anblick der Entschlafenen und beim Empfang der Botschaft in Schmerz und Trauer. Mit Thränen rief er aus: „Ach! warum blieb mir die Kunde von dem Tranke verborgen! Ich hätte Beide als Gatten vereinigt und nie von ihnen mich getrennt. Nun hab‘ ich Neffen und Gattin verloren!“ – Er ließ sie in zwei Särge legen und mit großer Feierlichkeit bestatten.

Gouvernail, vom Schmerz und Jammer auf das Krankenlager geworfen, rafft sich auf und eilt zur Gruft. Er sieht Hudan, den treuen Braken Tristan’s, auf dessen Grabe liegen, eine schöne grüne Weinrebe daraus emporsteigen und sich in Yseult’s Grab senken. Mark hatte sie vergebens dreimal abschneiden lassen; sie erneuete sich stets. Gouvernail aber grub dem Steine, der die Asche seiner erhabenen Freunde barg, Worte ein, die unser Erzähler in folgende Form gegossen hat:

Sous ce tombeau, deux amans couronnés
Recoivent le tribut d’unserviteur fidèle.
Du plus parfait amour ils furent le modèle.
A les pleurer toujours ses yeux sont condamnés.

Un breuvage amoureux les jeta dans l’ivresse:
Mais le ciel eut pitié de leur égarement;
Et détruisant l’enchantement,
Sans réfroidirleur coeur, épura leur tendresse. –

Übersetzung:

Zwei gekrönte Liebende in diesem Grabe
Erhalten hier die Huldigung eines treuen Dieners.
Sie waren ein Vorbild für vollkommenste Liebe.
Seine Augen sind dazu verdammt, sie für immer zu beweinen.

Ein Liebestrunk versetzte sie in einen Rausch:
Doch der Himmel erbarmte sich ihrer Verfehlung;
Und den Zauber lösend, läuterte er ihre Empfindsamkeit
Ohne ihr Herz zu verhärten.

 

Denken wir hierbei an Goethe’s Schlußworte seiner Wahlverwandschaften: „So ruhen die Liebenden neben einander. Friede schwebt über ihrer Stätte, heitere, verwandte Engelsbilder schauen vom Gewölbe auf sie herab, und welch‘ ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen!“ – Giebt es eine schönere Grabschrift? –