Tristan und Isolde

Die Sage

Gottfried v. Straßburg's Epos

Einleitung

Einleitende Gedankenfolge

Tristan’s Geburt

Schwertleite

Kampf der Gegensätze

Die Minnegrotte

Höherer Sinn

Einleitung

Nicht lange nach Eilhart – und es erschien der Mann, der dazu bestimmt war, die alte Tristansage aus dem roheren Grundstoff der Überlieferungen, aus den daraus hervorgegangenen gröberen oder feineren Gebilden auf den Flügeln des deutschen Gesanges in die Sphäre der ächten Dichterwelt emporzutragen und zu ungeahnter Bedeutung zu erheben, das Kunstwerk zu schaffen, das seiner harrte. Gottfried von Straßburg sang (gegen 1210) sein großes Lied, der höchsten Blüten eine des dreizehnten Jahrhunderts, das Lied, das ihm das Koryphäentum der mittelhochdeutschen erzählenden Poesie jenes gesegneten Zeitalters neben Hartmann von Aue und Wolfram von Eschenbach erwarb.

Gottfried´s Gedicht ist der lichte Gegensatz zu Wolfram´s düsterer, asketischer Anschauung, „dass Jammer unser Beginnen und dass wir mit Jammer ins Grab kommen“, – der Gegensatz des heitern zugleich und tiefinnerlichen Gemütslebens einer glänzenden Ritter- und Hofwelt zu dem Ideenleben eines in seiner Erhabenheit strengen zugleich und traumseligen Geistes, – ein Gegensatz, der sich, wenn auch in minder prägnanter Weise, am Wendepunkte unseres und des achtzehnten Jahrhunderts wiederholt.

Aber nicht auf jenen ritterlich höfischen Kreis, auf dessen Anschauungen, Denken und Treiben beschränkt sich Gottfried´s Dichtung. Ihr Empfinden und Betrachten, ihr Wollen und Wesen greifen tiefer, weiter und höher. Die Macht und das Geheimnis der Liebe ist ihr Kern und Lebensnerv.

Auf das Werk selbst in seinem ganzen Umfange hier näher einzugehen, wäre eitles Beginnen. Sein Inhalt schließt sich in manchen Grundzügen dem Eilhart’schen Gedicht an. Seine Hauptquelle: das Buch des Thomas von Britannien, ist bis jetzt noch nicht aufgefunden.

Als wahrhafter Dichter, d. h. durch schöpferisch belebende Gestaltung und begeisterte Erhebung und Verklärung verwandelte und veredelte Gottfried alles ihm durch Überlieferung gebotene Rohe und Anstößige, wie er von der uralten deutschen Sage gerade soviel behielt und behalten musste, als erforderlich war, ein solches Wunder zu wirken, wie es in seinem Gedicht erschienen ist. Sein Werk zeugt von einem Urheber, der selber in seinem Leben den Grundton seines Liedes: Lieb´ und Leid, Wonn´ und Weh, herzinnig empfunden hat. Er dichtete das uralte große Lied für sich, wie für andere Minner, zugleich zu Trauer und Trost. – So dürfen wir mit Hagen hinzufügen.

Sein vollendetes und doch unbeendetes Gedicht brachten Nachfolger zum äußeren Abschluss; pietätvoll gegen den Meister, ihm aber nicht vergleichbar: Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg; Jener zeitlich, Dieser geistig ihm näher stehend, Jener in geringerem, Dieser in weiterem Umfange den Vorwurf behandelnd. In unserm deutschen Zeitgenossen Hermann Kurtz erstand der Dritte, der Gottfried´s Liebeslied nachdichtend zu Ende sang, im Anschluss an seine schöne poetische Übertragung des Gottfried´schen Gedichts, die erste, welche die Neuzeit uns gab, und welcher die treffliche von Karl Simrock ein Jahrzehnt darauf folgte.

Könnte man nur dem flüchtigen Blick auf die Oberfläche, nicht dem sinnigen auf den Grund, die Tiefe der menschlich-künstlerischen Absicht und Ansicht des Dichters entgehen, „der bei der Schilderung der Minne als einer seelen-bewältigenden Macht auch die Verirrungen nicht verschweigen durfte, zu welchen sie hinzureißen vermag“, – so wollen wir zu ihm mit der gebührenden Unbefangenheit herantreten und das Auge für das Erfassen der leitenden Idee des Dichters kräftigen, in seine Seele und seinen Geist uns versenken, soweit wir es vermögen bei gebotenem kürzerem Verweilen. Es wird uns dies für unsern Hauptzweck zu Statten kommen. Denn in Gottfried´s Geiste haben wir Wagner´s Werk zu verstehen.

Bei aller Realität ausgeprägter konkreter Persönlichkeit, welche der Dichter dem Helden, dieser von Gesundheit und Fülle strotzenden, jugendlich schönen Erscheinung, verleiht – einer Individualität, die in vielfältigster Abwechslung ihrer Züge die harmonische Einheit eines ganzen Charakters zeigt –, fasst er ihn zugleich sinnbildlich, in einer höheren Bedeutung dergestalt auf, dass in ihm, gleichwie in Siegfried, eine große Seite des Menschen als solchen verkörpert hervorleuchtet. Er ist der Träger der Idee des dem menschlichen Herzen innewohnenden unermesslichen und unwillkürlichen Liebesvermögens, das, treu seinem göttlichen Ursprung, sich selbst treu bleibt, das unaufhaltsam, trotz Not und Gefahr, dem Ideal seines Sehnens sich zuschwingt, das Ziel seines höchsten Wollens gewinnt und wieder gewinnt, hier und dort. Nur freilich müssen wir bei Gottfried den Kern recht rein loslösen und genießen. „Teilen wir gerecht, was des überlieferten Stoffes und was des Dichters ist: die Schuld und der unvermeidliche Trug gehört der Märe an; die Liebe, die Treue, das Fromme und Heilige ist des Dichters Eigentum: – Freiheit nach innen, nach außen Pflichten.“

Einleitende Gedankenfolge

Und so leitet Gottfried sein Helden- und Liebeslied mit einer in kurzen Meisterzügen dargestellten Gedankenfolge ein. Welt zu Liebe und edlen Herzen zum Genuss hat er sich ein neues Tun vorgesetzt; nicht der Welt, die keine Schwere des Lebens tragen kann, die nur in Freuden schweben will; nein, einer andern,

Die zusammenhegt in Einer Brust
Das süße Leid, die bittre Lust,
Das Herzensglück, die bange Noth,
Das sel´ge Leben, leiden Tod,
Den leiden Tod, das sel´ge Leben.

Will man aber sagen, dass ein Gemüt mit unserer Liebesmär seine Ruhe gefährde, so mein´ ich, wer innigliche Liebe in sich trägt, der bleibt ihr treu, er kann sie nicht missen, so weh sie auch dem Herzen thut. Das ist so sicher, als der Tod. Mann und Weib, „ein Minner und eine Minnerin“ sind die großen Gegensätze dieser Sage, der Wechsel zwischen Liebe und Leid, und ihre feste Grundlage ist die Treue; von ihr stammen alle Tugenden. Nur da aber, wo Herzensliebe wohnt, sind diese Tugenden wahrhaft beglückend.

Lieb´ ist so reich an Seligkeit,
So selig macht ihr Glück, ihr Leid,
dass ohne ihre Lehre
Niemand Tugend hat, noch Ehre.

Darum lerne man der Liebe Leid ertragen,

Wer nie von Liebesleid gewußt,
Wußt´ auch von Liebesfreude nie.

Sie sind beide von der Minne nicht zu scheiden.

Man muß mit diesen beiden
Ehr´ und Lob erwerben,
Oder ohne sie verderben.

Darum lebt Tristan´s und Isolde´s Name lange und ewig, ihr frühes Sterben „lebe uns Lebenden immer neu“, ihr Leben, ihr Tod sei „der edlen Herzen Brot“, die Sage von „ihrer Treue, ihrer reinen Stetigkeit, ihrem Herzensglück und Herzeleid“ werde uns zur Nahrung der Seele.

Diesen Grundgedanken, der das Ganze durchzieht und durchdringt, bringt der Dichter zu immer klarerer Anschauung, zu immer vollerer Geltung, stillberedt – in der unvergleichlichen Anlage und Ausprägung des Charakters seines Helden von dessen Entstehen an, der Gestalt der Heldin, Rual´s, Marke´s, in Situationen, in der Schilderung des Lebens, der Zeit, der Natur, nach allen Seiten hin, – und in einzelnen eingehenden Betrachtungen, um darzutun, „die Sage habe eine höhere Würde, als die bloße leichtsinnige Neugier zu befriedigen.“

Tristan's Geburt

Tristan ist ein Kind des Todes durch Liebe; Leid kam mit ihm zur Welt, tränenlos starb seine Mutter, wie sie tränenlos den unermesslichen Schmerz um den Gatten im versteinerten Herzen trug, denn in ihrem Herzen war nichts mehr, als die lebendige Liebe und das lebendige Leid im Kampfe gegen ihr Leben. Werktätige Treue nach Freundes Tod ist die edelste Tugend; die hatte Rual, Riwalin’s Marschall und Tristan’s Pflegevater, und steht deshalb so hoch; darum heißt er mit Recht „der Treuehaltende“ (le Foitenant).

Schwertleite

Wie die Geburt, so war die sonst so heitere Schwertleite (der Ritterschlag) Tristan#’s ein trauriges Fest, denn hierbei erfuhr er zuerst, dass sein Vater Riwalin erschlagen worden. In Tristan waren stetes Glück und stetes Leid vereinigt.

Trug jemals einer stetes Leid
Bei währender Glückseligkeit,
So trug Tristan dies stete Leid
Bei währender Glückseligkeit.
Ihm war ein volles Maß und Ziel
Verliehen in zwei Dingen:
Im Leid und im Gelingen.

 
 

Kampf der Gegensätze

Gleiche Gegensätze in Isolde. Tristan hat ihr Leid zugefügt durch ihres Oheims Tötung; sie tat ihm in Täuschung Gutes durch Heilung seiner Wunden. Sie entdeckt in ihm den Feind des Verwandten, will ihn morden, allein er hatte sie befreit durch Fällung des Drachen; Blutrache reizt sie zu seinem Tode, weibliche Güte und Dankbarkeit zu seiner Erhaltung. Durch diesen Streit ihres Gemütes wird Tristan gerettet und zum Beweise, dass die feindseligsten Gegensätze sich liebend vereinigen müssen, werden Tristan und Isolde durch den Liebestrank getäuscht und auf ewig verbunden.

Dieser Kampf der Gegensätze entwickelt sich noch klarer bei der erwachenden und wachsenden Liebe Beider, einem der schönsten Gemälde Gottfried’s, welches die Natur des Weibes und des Mannes mit höchster psychologischer Treue darlegt. Die Minne ist die Versöhnerin, sie reinigt das Herz vom Hass und verwandelt ihn in Liebe. Beide Herzen werden dann eins, haben Eine Freude, Ein Leid, aber gestehen es sich nicht. Zweifel und Scham verbergen die Liebe, wiewohl die blinde Begier beider Herzen auf Einen Willen gerichtet ist. Nun ist die Freiheit verloren; der Mann gefangen in den Stricken der Liebe, will sich trennen, will ablassen, sich aufraffen, und kann nicht.

Er gedachte stets der Ehren;
Mit ihrer Hilfe siegt er dann;
Alsbald doch fiel ihn wieder an
Sein ererbtes Leid, die Minne,
Die benahm ihm gleich die Sinne,
Sie tat ihm mehr zu Leide,
Als Ehr‘ und Treue beide.

Das Weib ist gefesselt wie der Vogel an der Leimrute; sie ängstigt die Scham, wie den Mann der Zweifel.

Was auch Isot gedachte
Und sich Gedanken machte,
So war nicht dies noch das daran,
Als Minne nur und Tristan;
Und geschah das all‘ verschwiegen.
Die Magd begehrte den Mann
Und warf die Augen hinan;
Die Scham nur wollte minnen
Dass es Niemand würde innen.
Was mocht‘ es helfen?
Isot ließ sich den Krieg vergehn
Und tat nach ihrer Sache Stand.
Sieglos ergab sie allzuhand
Sich selbst und ihre Sinne
Dem Mann und der Minne.

So kommen Beide sich immer schöner vor mit der wachsenden, zwingenden Macht der Liebe.

Die wucherbringende Minne
Verschönt sich nach dem Anbeginne.
Das ist der Same, den sie sät,
durch den sie nimmer vergeht.

Dies ist die wahre Liebe, weil sie unvertilgbar, weil sie sich auf Treue gründet, die aber jetzt Wenige haben, weil sie mit falschen Dingen umgehen, Bilsamen säen und davon Lilien und Rosen erwarten, da doch daraus nichts Anderes als Torheit, Bosheit und Laster entstehen kann, eine solche Liebe aber den Menschen vernichtet.

Deshalb trösten uns die alten Sagen, weil sie von getreueren, besseren Menschen handeln. Wollen wir die wahre Liebe haben, so müssen wir auch ihr Leid ertragen, denn die bloße Lust des Leibes ist der Verlust der Ehre.

Wie sanft uns mit der Liebe sei,
So müssen wir doch auch dabei
Gedenken der Ehren.
Wer sich an nichts will kehren
Als an der Sinne Gelust,
Das ist der Ehren Verlust.

Blind ist die Liebe, weil sie zum Teil in Täuschung der Gegensätze besteht; darum ist sie auch ein Geheimnis, mit dessen Enthüllung sie vernichtet wird. Sie hat daher ihre höheren schroffen Gegensätze: Argwohn, Neid, Eifersucht. Der Argwohn schlägt überall Wurzel, die Liebe und Treue bedürfen aber keiner anderen Nahrung, sondern erhalten sich von selbst.

Die reine Treue,
Die gebalsamte Minne,
Die dem Leib und dem Sinne
So wohl tut und so innig gut,
Das Herz befeuert und den Mut,
Das war die beste Kost für sie.

 

 

Die Minnegrotte

Nur der Getreue gelangt, wie unser Paar, in die (der Sage nach von Riesen erbaute) Minnegrotte, wenn er der Welt entsagt. Das ist eine wonnige Höhle, von runder Wölbung, wie die Einfalt der Minne, die keinen Winkel für Falschheit und List hat; sie ist weit, wie der Liebe Kraft, „der nichts Ziel und Ende schafft“; sie ist hoch, wie der hohe Mut, „der in den Wolken schwebt und ruht“. Die Wände sind glatt und weiß wie Schnee, ohne Grübchen des Argwohns, ohne Farbenwechsel; der grüne Marmorboden bezeichnet die Beständigkeit,

Denn es soll die Stetigkeit
Billig grün sein wie das Gras,
Glatt und lauter auch wie Glas.

Das Lager mitten inne ist aus Krystall geschnitten:

Denn Minne soll krystallenrein,
Durchsichtig und durchlauter sein.

Eine eherne Tür vor dem Minnetor hält die Falschheit zurück und öffnet sich nur treuer Liebe. Der eine Riegel von Zedernholz ist die Weisheit und Sinnigkeit; der andere von Elfenbein ist die Keuschheit und die Reine.

Mit diesen zwei Insiegeln,
Mit diesen edlen Riegeln
Bewahrt ihr Haus die Minne
Vor Gewalt und falschem Sinne.

Eine Spindel, die nach der Klinke an der Minnehöhle geht, ist nur von geringem Zinn, an der Klinke blinkt lauteres Gold: das Zinn zeigt den stillen Willen an das Gold ist das Vollbringen.

Wer mit rechter Güte kann
Auf Minne wenden seinen Sinn,
Den trägt doch dieser Haft von Zinn,
Das unscheinbare Stück,
Führwahr zu goldenem Glück.

Nur drei Fensterlein hat die Grotte; die drei heißen: Güte, demütiges Gemüt und Zucht. Die Höhle liegt allein, in wüster Wilde, zwischen Bergen und unwegsamen Pfaden. Denn

Der Minne Statt und Ort
Nicht an der Straße lieget dort,
Noch auf offenem Gefilde,
Sie lauscht in der Wilde.

 

Nicht Jeder gelangt zu ihr, und wer’s mit einem Tritte versieht, findet sich nicht aus den Pfadgewinden.

Die Fossür ist mir bekannt
Schon seit meinem eilfen Jahr,
Obwohl ich nie in Cornwall war. 21

Höherer Sinn

Marke nun aber, der Mann, von dem der Dichter sagte, es sei für Isolde die große Not gewesen,

Dass sie ihm werden sollte,
Dem sie nicht werden wollte.

liebte sie aus Lust, obschon er „blindlings klar genug wusste, dass sie ihm keine Liebe trug“, und so musste bei ihm

Gelüsten und Verlangen
Leiden mit Bangen.

So gibt es heut‘ noch viele Marke und Isolden. Die Lust des ungeliebten Mannes und seine Hut erzeugen nach Gottfried’s Dialektik Hass im Herzen des Weibes.

Die Hut die füttert und trägt,
wenn man sie füttert und pflegt,
Nur den Hagen und den Dorn.

Wo aber das Weib seine Weiblichkeit und sein Herz verschenkt, mit dem Manne eins wird,

Da honigt die Tanne,
Balsamt das Kraut, das Schierling trägt,
Die Nessel, die zu brennen pflegt,
Die roset ob der Erden.

Einem solchen Manne liegt das lebendige Paradies im Herzen.

In diesem Paradeise
Da entsprießt dem Reise,
Da ergrünt und wächset nichts,
Als eine Lustdes Augenlichts.
Es ist kein Obst darinne,
Als Treue und Minne,
Ehr‘ und weltlicher Preis.

Dieser Mann

Braucht wahrlich nicht sein Leben
Um Tristan’s Leben hinzugeben.

Und – schließt der Dichter seine Betrachtung –

Ich halt‘ auch für gewiss und wahr,
Wer suchte nach dem Holden,
Es leben noch Isolden,
Daran man alles fände,
Ein Glück all‘ sonder Ende.

Gottfried spricht damit die Denkart seiner Zeit aus (in Thomasin’s „wälschem Gaste“, einer ernsten, Tugend, Frömmigkeit und Zucht lehrenden Dichtung aus dem Jahre 1216, wird unter Anderen auf Tristan als Beispiel und Muster hingewiesen), wie er denn der Ansicht und Überzeugung des Volks von der Bedeutung der ganzen Sage den dichterischen Ausdruck geliehen hat. Er selbst ist aber kein Lobredner oder Beschöniger barer Lüsternheit; er ist – wie Mone sagt – ein durchaus züchtiger Dichter, der recht wohl Lust von Liebe unterscheidet, sonst er die Sage nicht so tief und großartig aufgefasst hätte. „Isolde war“, bemerkt Mone, „nie Marke’s Weib *. (* Der schwerste Vorwurf, als ob der Gegenstand dieses Gedichts schmähliche Verhöhnung der Gattentreue wäre, lässt sich schon damit abweisen, dass zwischen Marke und Isold so wenig, als zwischen Tristan und der anderen, weißhändigen Isold je ein eheliches Verhältnis zu Stande kommt, wenn sie gleich vor der Welt Gatten scheinen. [Simrock, Schlusswort zu seiner Überetragung des Gottfried’schen Gedichts, S. 395.]). Die lange Enthaltsamkeit Tristan’s von der zweiten Isolde ist ein ebenso schöner Zug der Treue, den man nicht übersehen darf, als die Ursache seines Todes, die, durch Irrewerden an seiner ersten und durch Genuss an seiner zweiten Isolde herbeigeführt, eine große Bedeutung hat. Da diese sonderbaren Eheverhältnisse schon an und für  sich auf einen höheren Sinn hinweisen und unsere Alten so auffallend und dringend ermahnen, einen größeren Verstand der Sage anzuerkennen, – wie kommt es, dass man diese Dinge so gemein menschlich betrachtet, und warum vergisst man, dass ähnliche Verhältnisse in allen deutschen und keltischen Heldensagen vorkommen? Sonach enthielten denn unsere Überlieferungen nichts als lüsterne Erzählungen von Unzucht? Solche Ansichten wären ein trauriges Zeichen, dass wir so ganz den Verstand unserer Vorwelt verloren hätten.“ –