Der Fliegende Holländer

Libretto

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

ERSTER AUFZUG

Steiles Felsenufer. Das Meer nimmt den größten Teil der Bühne ein; weite Aussicht auf dasselbe. Die Felsen im Vordergrund bilden auf beiden Seiten Schluchten, aus denen die Echos antworten. Finsteres Wetter; heftiger Sturm; zwischen den Felsen selbst verliert der Wind, den man in offener See die Wogen peitschen sieht, seine Macht; nur von Zeit zu Zeit scheint das Heulen des Sturms hereinzudringen. Das Schiff D a l a n d‘ s  hat soeben dicht am Ufer Anker geworfen; die Mannschaft ist in geräuschvoller Arbeit beschäftigt, die Segel aufzustreichen, Taue auszuwerfen usw. D a l a n d  ist an’s Land gegangen; er steigt auf einen Felsen und sucht landeinwärts die Gegend zu erkennen.

MATROSEN
während der Arbeit.
Johohe! hallajo! hohoha! hallojo!
ho! ha! ha! ja! Hallajo! hallaha! hallahoja!

DALAND
kommt vom Felsen herab.
Kein Zweifel! Sieben Meilen fort
trieb uns der Sturm vom sich’ren Port.
So nah‘ dem Ziel nach langer Fahrt,
war mir der Streich noch aufgespar’t!
Der Steuermann ruft vom Schiff her.

STEUERMANN
durch die hohlen Hände.
Ho! Kapitän!

DALAND
Am Bord bei euch, wie steht’s?

STEUERMANN
Gut, Kapitän! Wir haben sich’ren Grund!

DALAND
Sandwike ist’s, genau kenn‘ ich die Bucht.
Verwünscht! schon sah am Ufer ich mein Haus,
Senta, mein Kind, glaubt‘ ich schon zu umarmen:
da bläst es aus dem Teufelsloch heraus…
Wer baut auf Wind, baut auf Satan’s Erbarmen!
Was hilft’s? Geduld! der Sturm läss’t nach;
wenn so er tobte, währt’s nicht lang.
Er geht am Bord des Schiffes.
He, Bursche! Lange war’t ihr wach,
zur Ruhe denn! mir ist nicht bang!
Die Matrosen steigen in den Schiffsraum hinab.
Nun, Steuermann, die Wache nimmst du wohl für mich?
Gefahr ist nicht, doch gut ist’s, wenn du wachst.

STEUERMANN
Seid außer Sorg! Schlaft ruhig, Kapitän!
D a l a n d  geht in die Kajüte. Der Sturm hat sich gelegt; nur in abgesetzten Pausen dringen gemilderte Windstöße in die Schlucht. Auf offener See türmen sich die Wogen. Der Steuermann macht die Schiffsrunde; von Müdigkeit überfallen setzt er sich dann am Steuerruder nieder. Er gähnt. Er schüttelt sich auf, als ihm der Schlaf kommt.

STEUERMANN
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer,
mein Mädel, bin dir nah!
Über turmhohe Flut vom Süden her,
Mein Mädel, ich bin da!
Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär‘,
ich nimmer wohl käm‘ zu dir;
ach, lieber Südwind, blas‘ noch mehr!
Mein Mädel verlangt nach mir!
Hohoja! hallohoho jollohohoho! heho!
Eine grosse Woge naht dem Schiffe un rüttelt es heftig. Der Steuermann fährt auf; er sieht nach, ob das Schiff Schaden genommen habe. Beruhigt setzt er sich wieder am Steuer nieder. Der Schlaf kommt ihn immer mehr an. Er gähnt.

Von des Süden’s Gestad, aus weitem Land,
ich hab‘ an dich gedacht!
Durch Gewitter und Meer vom Mohrenstrand,
hab dir‚ was mitgebracht.
Mein Mädel, preis‘ den Südwind hoch,
ich bring‘ dir ein gülden Band!
Ach, lieber Südwind, blase doch!
Mein Mädel hätt‘ gern den Tand.
Hoho! ja! hollaho!
Er schläft völlig ein; das Meer wird von neuem unruhiger. Das Schiff des F l i e g e n d e n  H o l l ä n d e r‘ s , mit schwarzen Masten und blutroten Segeln, zeigt sich in der Ferne, und naht sich mit großer Schnelle der Küste. Es legt auf der dem norwegischen Schiffe entgegengesetzte Seite an. Mit einem furchtbaren Krach sinkt der Anker an der Kette in den Grund. Der Steuermann fährt auf und sieht nach dem Steuer; überzeugt, dass nichts geschehen, setzt er sich wieder.

Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär…
Er schläft von neuem ein. Stumm und ohne ferneres Geräusch zieht die gespenstische Mannschaft des H o l l ä n d e r‘ s  die Segel auf usw. Der Holländer geht an Land, er trägt schwarze spanische Tracht.

HOLLÄNDER
Die Frist ist um, und abermals verstrichen
sind sieben Jahr. Voll Überdruss wirft mich
das Meer ans Land. Ha! Stolzer Ozean!
In kurzer Frist sollst du mich wieder tragen!
Dein Trotz ist beugsam, doch ewig meine Qual!
Das Heil, das auf dem Land ich suche, nie
werd‘ ich es finden! Euch, des Weltmeer’s Fluthen
bleib‘ ich getreu, bis eure letzte Welle
sich bricht, und euer letztes Nass versiegt!
Wie oft in Meeres tiefsten Schund
stürz’t ich voll Sehnsucht mich hinab:
doch ach! den Todt, ich fand ihn nicht!
Da, wo der Schiffe furchtbar‘ Grab,
trieb mein Schiff ich zum Klippengrund:
doch ach! mein Grab, es schloss sich nicht!
Verhöhnend droht‘ ich dem Piraten,
in wildem Kampfe hofft ich Todt:
„Hier“ – rief ich – „zeige deine Thaten!
Von Schätzen voll ist Schiff und Boot!“
Doch ach! des Meer’s barbar’scher Sohn
schlägt bang das Kreuz und flieht davon.
Wie oft in Meeres tiefsten Grund
stürzt‘ ich voll Sehnsucht mich hinab!
Da, wo der Schiffe furchtbar‘ Grab,
trieb mein Schiff ich zum Klippengrund:
Nirgends ein Grab! niemals der Todt!
Dies der Verdammnis‘ Schreckgebot.

Dich frage ich, gepries’ner Engel Gottes,
der meines Heil’s Bedingung mir gewann!
War ich Unsel’ger Spielwerk deines Spottes,
als die Erlösung du mir zeigtest an?
Vergeb’ne Hoffnung! Furchtbar eitler Wahn!
Um ew’ge Treu auf Erden, ist’s getan!
Nur eine Hoffnung soll mir bleiben,
nur eine unerschüttert steh’n:
so lang der Erde Keim‘ auch treiben,
so muss sie doch zugrunde geh’n.
Tag des Gerichtes! jüngster Tag!
Wann brichst du an in meine Nacht?
Wann dröhn’t er, der Vernichtungs-Schlag,
mit dem die Welt zusammenkracht?
Wann alle Todten aufersteh’n,
dann werde ich in Nichts vergehn!
Ihr Welten, endet eu’ren Lauf!
ew’ge Vernichtung, nimm‘ mich auf!
Der H o l l ä n d e r  lehnt sich mit verschränkten Armen, dumpf in sich gekehrt, an einer Felswand.

CHOR
der Mannschaft des Holländers – im Schiffsraum – unsichtbar
Ew’ge Vernichtung, nimm‘ uns auf!
D a l a n d  kommt aus der Kajüte; er sieht sich nach dem Wind um und erblickt das fremde Schiff.

DALAND
sich nach dem Steuermann umsehend.
He! holla! Steuermann!

STEUERMANN
sich schlaftrunken halb aufrichtend.
’s ist nichts! ’s ist nichts!
ach, lieber Südwind, blas‘ noch mehr!
mein Mädel…

DALAND
den Steuermann aufrüttelnd.
Du siehst nichts? Gelt, du wachest brav, mein Bursch‘!
Dort liegt ein Schiff; wie lange schlief’st du schon?

STEUERMANN
rasch auffahrend.
Zum Teufel auch! Verzeiht, Kapitän!
Er setzt schnell das Sprachrohr an und ruft über Bord.
Wer da?
Lange Pause.
Wer da?
Lange Pause.

DALAND
Es scheint, sie sind gerad‘
so faul als wir.

STEUERMANN
wie vorher.
Gebt Anwort! Schiff und Flagge?

DALAND
erblickt den H o l l ä n d e r  am Lande.
Lass ab! Mich dünk’t, ich seh‘ den Kapitän!
den H o l l ä n d e r  anrufend:
He! holla! Seemann! Nenne dich! Wess‘ Landes?
Langes Stillschweigen.

HOLLÄNDER
ohne seine Stellung zu verlassen.
Weit komm‘ ich her. Verwehrt bei Sturm und Wetter
ihr mir den Ankerplatz?

DALAND
Behüt‘ es Gott!
Gastfreundschaft kennt der Seemann. –
an das Land gehend.
Wer bist du?

 

HOLLÄNDER
Holländer.

DALAND
Gott zum Gruß! So trieb auch dich
der Sturm an diesen nackten Felsenstrand?
Mir ging’s nicht besser. Wenig Meilen nur
von hier ist meine Heimat, fast erreicht,
musst‘ ich aufs Neu‘ mich von ihr wenden. Sag,
woher kommst du? Hast Schaden du genommen?

HOLLÄNDER
Mein Schiff ist fest. Es leidet keinen Schaden.
mit Ausdruck aber ohne Leidenschaft.
Durch Sturm und bösen Wind verschlagen,
irr‘ auf den Wassern ich umher;
wie lange? weiß ich kaum zu sagen,
schon zähl‘ ich nicht die Jahre mehr.
Unmöglich dünkt mich, dass ich nenne
die Länder alle, die ich fand: –
das Eine nur, nach dem ich brenne,
ich find‘ es nicht – mein Heimatland!
Vergönne mir auf kurze Frist dein Haus,
und deine Freundschaft soll dich nicht gereu’n!
Mit Schätzen aller Gegenden und Zonen
ist reich mein Schiff beladen; willst du handeln,
so sollst du sicher deines Vorteils sein.

DALAND
Wie wunderbar! Soll deinem Wort ich glauben?
Ein Unstern, scheint’s, hat dich bis jetzt verfolgt: –
Um dir zu frommen, biet‘ ich, was ich kann…
doch darf ich fragen… was dein Schiff enthält?
Der Holländer gibt der Wache seines Schiffs ein Zeichen, auf welches man von demselben eine Kiste an das Land bringt.

HOLLÄNDER
Die seltensten der Schätze sollst du sehn;
kostbare Perlen, edelstes Gestein.
Blick hin, und überzeuge dich vom Werte
des Preises, den ich für ein gastlich Dach dir biete!

DALAND
Wie? ist’s möglich? diese Schätze!
wer ist so reich, den Preis dafür zu bieten?

HOLLÄNDER
Den Preis? Soeben hab ich ihn genannt:
dies für das Obdach einer einz’gen Nacht!
Doch was du siehst ist nur der kleinste Theil
von dem, was meines Schiffes Raum verschließt.
Was frommt der Schatz? Ich habe weder Weib noch Kind,
und meine Heimat find‘ ich nie!
All meinen Reichtum biet‘ ich dir, wenn bei
den Deinen du mir neue Heimat giebst.

DALAND
Was muss ich hören!

HOLLÄNDER
Hast du eine Tochter?

DALAND
Fürwahr, ein treues Kind.

HOLLÄNDER
Sie sei mein Weib!

DALAND
freudig betroffen.
Wie? Hört‘ ich recht? Meine Tochter sein Weib!
Er selbst spricht aus den Gedanken!
Fast fürcht‘ ich, wenn unentschlossen ich bleib‘,
er müsste im Vorsatze wanken.
Wüsst‘ ich, ob ich wach‘ oder träume!
Kann ein Eidam willkommener sein?
Ein Thor! wenn das Glück ich versäume!
Voll‘ Entzücken schlage ich ein.

HOLLÄNDER
Ach, ohne Weib, ohne Kind bin ich,
nichts fesselt mich an die Erde.
Rastlos verfolgt das Schicksal mich.
die Qual nur war mir Gefährte.
Nie werd‘ ich die Heimat erreichen:
zu was frommt mir der Güter Gewinn?
Lässt du zu dem Bund dich erweichen,
oh! so nimm meine Schätze dahin!

DALAND
Wohl, Fremding, hab‘ ich eine schöne Tochter,
mit treuer Kindeslieb‘ ergeben mir;
sie ist mein Stolz, das höchste meiner Güter,
mein Trost im Unglück, meine Freud im Glück!

HOLLÄNDER
Dem Vater stets bewahr‘ sie ihre Liebe!
Ihm treu – wird sie auch treu dem Gatten sein.

 

DALAND
Du gibst Juwelen, unschätzbare Perlen:
das höchste Kleinod doch, ein treues Weib…

HOLLÄNDER
Du giebst es mir?

DALAND
Ich gebe dir mein Wort!
Mich rührt dein Los; freigebig, wie du bist,
zeigst Edelmut und hohen Sinn du mir;
den Eidam wünscht ich so, und wär dein Gut
auch nicht so reich, wählt ich doch keinen and’ren.

HOLLÄNDER
Hab‘ Dank! Werd‘ ich die Tochter heut‘ noch sehn?

DALAND
Der nächste günst’ge Wind bringt uns nach Haus‘;
du soll’st sie seh’n; und wenn sie dir gefällt.

HOLLÄNDER
So ist sie mein. Wird sie mein Engel sein?
Wenn aus der Qualen Schreckgewalten
die Sehnsucht nach dem Heil mich treibt,
ist mir’s erlaubt, mich festzuhalten
an einer Hoffnung, die mir bleibt?
Darf ich in jenem Wahn noch schmachten,
dass sich ein Engel mir erweicht?
Der Qualen, die mein Haupt umnachten,
ersehntes Ziel hätt‘ ich erreicht?
Ach! ohne Hoffnung, wie ich bin,
geb‘ ich mich doch der Hoffnung hin!

DALAND
Gepriesen seid, des Sturmes Gewalten,
die ihr an diesen Strand mich trieb’t!
Fürwahr, bloß brauch‘ ich festzuhalten
was sich so schön von selbst mir giebt.
Die ihn an diese Küste brachten,
ihr Winde, soll’t gesegnet sein!
Ha, wonach alle Väter trachten,
ein reicher Eidam, er ist mein!
Ja! dem Mann mit Gut und hohem Sinn
geb‘ froh ich Haus und Tochter hin!
Das Wetter hat sich völlig aufgeklärt, der Wind ist umgeschlagen.

STEUERMANN
Südwind! Südwind!
Ach! lieber Südwind, blas‘ noch mehr!

MATROSEN
die Mütze schwenkend.
Halloho! hohoho! halloho! halloho!
halloho! ho! ho! ho!

DALAND
Du siehst, das Glück ist günstig dir,
der Wind ist gut, die See in Ruh‘.
Sogleich die Anker lichten wir,
und segeln froh der Heimat zu.

HOLLÄNDER
Darf ich dich bitten, so segelst du voran;
der Wind ist frisch, doch meine Mannschaft müd;
ich gönn‘ ihr kurze Ruh, und folge dann.

DALAND
Doch, unser Wind?

HOLLÄNDER
Er bläst noch lang aus Süd.
Mein Schiff ist schnell, es holt dich sicher ein.

DALAND
Du glaubst? Wohlan! Es möge denn so sein.
Leb‘ wohl! Mög’st heute du mein Kind noch seh’n!

HOLLÄNDER
Gewiss!

DALAND
an Bord seines Schiffes gehend.
Heil! wie die Segel schon sich bläh’n!
Hallo! Hallo!
Er gibt ein Signal auf der Schiffspfeife.
Frisch, Jungen, greifet an!
Das Schiff wird losgemacht.

MATROSEN
im Absegeln.
Mit Gewitter und Sturm aus fernem Meer,
mein Mädel, bin dir nah! hurrah!
Über sturmhohe Flut vom Süden her,
mein Mädel, bin ich da! hurrah!
Mein Mädel, wenn nicht Südwind wär‘,
ich nimmer wohl käm‘ zu dir!
Ach! lieber Südwind, blas‘ noch mehr!
Mein Mädel verlang’t nach mir.
Ho! ho! joloho! hoho hohoho!

Der H o l l ä n d e r  ist an Bord seines Schiffes gegangen, der Vorhang fällt.

ZWEITER AUFZUG

Ein geräumiges Zimmer im Hause D a l a n d‘ s . An den Seitenwänden Abbildungen von See-Gegenständen, Karten usw. An der Wand im Hintergrunde das Bild eines bleichen Mannes mit dunklem Barte und in schwarzer Kleidung. M a r y  und die Mädchen sitzen um den Kamin herum und spinnen; S e n t a , in einem Grossvater-Stuhl zurückgelehnt und mit untergeschlagenen Armen, ist im träumerischen Anschauen des Bildes im Hintergrunde versunken.

MÄDCHEN
Summ‘ und brumm‘, du gutes Rädchen,
munter, munter, dreh‘ dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen,
gutes Rädchen, summ‘ und brumm‘!
Mein Schatz ist auf dem Meere draus‘,
er denkt nach Haus
ans fromme Kind;
mein gutes Rädchen, braus‘ und saus‘!
Ach! gäb’st du Wind,
er käm‘ geschwind.
Spinnt! Spinnt! Spinnt!
Fleißig, Mädchen!
Brumm‘! Summ‘!
Gutes Rädchen!
Tra la ra la la.

MARY
Ei! fleißig, fleißig! wie sie spinnen!
Will jede sich den Schatz gewinnen.

MÄDCHEN
Frau Mary, still! Denn wohl Ihr wiss’t,
das Lied noch nicht zu Ende ist.

MARY
So singt! Dem Rädchen lässt’s nicht Ruh‘.
Du aber, Senta, schweigst dazu?

MÄDCHEN
Summ‘ und brumm‘, du gutes Rädchen,
munter, munter dreh‘ dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen,
gutes Rädchen, summ‘ und brumm‘!
Mein Schatz da draußen auf dem Meer,
im Süden er
viel Gold gewinnt;
ach, gutes Rädchen, saus‘ noch mehr!
Er gibt’s dem Kind,
wenn’s fleißig spinnt.
Spinnt! Spinnt!
Fleißig, Mädchen!
Brumm‘! Summ‘!
Gutes Rädchen!
Tra la ra la…

MARY
zu S e n t a .
Du böses Kind, wenn du nicht spinnst,
vom Schatz du kein Geschenk gewinnst.

MÄDCHEN
Sie hat’s nicht Noth, dass sie sich eil’t;
ihr Schatz nicht auf dem Meere weil’t.
Bringt er nicht Gold, bringt er doch Wild –
man weiß ja was ein Jäger gilt!
Sie lachen. S e n t a  singt leise eine Melodie aus der folgenden Ballade.

MARY
Du seht ihr! Immer vor dem Bild!
zu S e n t a .
Willst du dein ganzes junges Leben
verträumen vor dem Konterfei?

SENTA
Was hast du Kunde mir gegeben,
was mir erzählet wer er sei?
Der arme Mann!

MARY
Gott sei mit dir!

MÄDCHEN
Ei, ei! ei, ei! Was hören wir!
Sie seufzet um den bleichen Mann!

MARY
Den Kopf verliert sie noch darum!

MÄDCHEN
Da sieht man was ein Bild doch kann!

MARY
Nichts hilft es, wenn ich täglich brumm‘!
Komm‘! Senta! Wend‘ dich doch herum!

MÄDCHEN
Sie hört Euch nicht – sie ist verliebt!
Ei, ei! Wenn’s nur nicht Händel gibt!
Denn Erik hat gar heißes Blut –
dass er nur keinen Schaden tut!
Sagt nichts – er schießt sonst wuth-entbrannt,
den Nebenbuhler von der Wand!
Ha ha ha ha.

SENTA
O schweigt mit eurem tollen Lachen!
Wollt ihr mich ernstlich böse machen?

MÄDCHEN
Summ‘ und brumm‘, Du gutes Rädchen,
munter, munter dreh‘ dich um!
Spinne, spinne tausend Fädchen!
Gutes Rädchen, summ‘ und brumm‘!

SENTA
O macht dem dummen Lied ein Ende,
es brummt und summt nur vor dem Ohr!
Woll’t ihr, dass ich mich zu euch wende,
so such’t ‚was besseres hervor!

MÄDCHEN
Gut, singe du!

SENTA
Hört, was ich rathe:
Frau Mary singt uns die Ballade.

MARY
Bewahre Gott! Das fehlte mir!
Den fliegenden Holländer lasst in Ruh‘!

SENTA
Wie oft doch hört‘ ich sie von dir.

MARY
Bewahre Gott! Das fehlte mir!

SENTA
Ich sing‘ sie selbst; hör’t, Mädchen, zu!
Lasst mich’s euch recht zum Herzen führen,
des Ärmsten Los, es muss euch rühren.

MÄDCHEN
Uns ist es Recht.

SENTA
Merkt auf die Wort‘.

MÄDCHEN
Dem Spinnrad Ruh‘!

MARY
ärgerlich.
Ich spinne fort.



SENTA
Johohohe! johohohe! johohohe! johohe!
Traf’t ihr das Schiff im Meere an,
blutrot die Segel, schwarz der Mast?
Auf hohem Bord der bleiche Mann,
des Schiffes Herr, wach’t ohne Rast.
Hui! – wie saust der Wind! – Johohoe!
Hui! – wie pfeift’s im Tau! – Johohe!
Hui! – wie ein Pfeil fliegt er hin,
ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh‘!
Doch kann dem bleichen Manne
Erlösung einstens noch werden,
fänd‘ er ein Weib, das bis in den Todt
getreu ihm auf Erden!
Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden?
Betet zum Himmel, dass bald ein Weib
Treue ihm halt‘!

Bei bösem Wind und Sturmes Wuth
umsegeln wollt‘ er einst ein Kap;
er flucht‘ und schwur mit tollem Muth:
In Ewigkeit lass‘ ich nicht ab!
Hui! und Satan hört’s! Johohe!
Hui! nahm ihm bei’m Wort! Johohe!
Hui! und verdammt zieh’t er nun
durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh‘!
Doch, dass der arme Mann‘
noch Erlösung fände auf Erden,
zeigt‘ Gottes Engel an,
wie sein Heil ihm einst könnte werden.
Ach, könntest du, bleicher Seemann,
es finden!
Betet zum Himmel, dass bald ein Weib
Treue ihm halt‘!

Die Mädchen sind tief ergriffen und singen den Schlussreim leise mit.

Vor Anker alle sieben Jahr‘,
ein Weib zu frei’n, geht er ans Land:
er freite alle sieben Jahr‘,
noch nie ein treues Weib er fand.
Hui! die Segel auf! Johohe!
Hui! den Anker los! Johohe!
Hui! falsche Lieb‘, falsche Treu‘,
Auf, in See, ohne Rast, ohne Ruh!

MÄDCHEN
Ach, wo weil’t sie,
die dir Gottes Engel einst könnte zeigen?
Wo triffst du sie,
die bis in den Tod dein bleibe treu eigen?

SENTA
Ich sei’s, die dich durch ihre Treu‘ erlöse!
Mög‘ Gottes Engel mich dir zeigen!
Durch mich sollst du das Heil erreichen!

MARY und MÄDCHEN
Hilf, Himmel! Senta! Senta!

ERIK
ist eingetreten und hat S e n t a‘ s  Ausruf vernommen.
Senta! Willst du mich verderben?

MÄDCHEN
Helft, Erik, uns! Sie ist von Sinnen!

MARY
Ich fühl das Blut in mir gerinnen!
Abscheulich‘ Bild, du sollst hinaus,
kommt nur der Vater erst nach Haus!

ERIK
Der Vater kommt.

SENTA
Der Vater kommt?

ERIK
Vom Felsen seh‘ sein Schiff ich nah’n.

MÄDCHEN
Sie sind daheim!

MARY
Nun seht, zu was eu’r Treiben frommt!
Im Hause ist noch nichts gethan.

MÄDCHEN
Sie sind daheim! Auf, eilt hinaus!

MARY
Halt, halt! Ihr bleibet fein im Haus!
Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen.
In Küch‘ und Keller säumet nicht!
Lass’t euch nur von der Neugier plagen –
vor allem geht an eure Pflicht!

MÄDCHEN
Ach! Wie viel hab‘ ich ihn zu fragen!
Ich halte mich vor Neugier nicht.
Schon gut! Sobald nur aufgetragen,
hält hier aus länger keine Pflicht.
M a r y  treibt de Mädchen hinaus und folgt ihnen. S e n t a  will ebenfalls gehen; E r i k  hält sie zurück.

ERIK
Bleib‘, Senta! Bleib‘ nur einen Augenblick!
Aus meinen Qualen reiße mich!
Doch willst du, ach! so verdirb mich ganz!

SENTA
Was ist? Was soll?

ERIK
O Senta, sprich was aus mir werden soll?
Dein Vater kommt: eh‘ wieder er verreist,
wird er vollbringen, was schon oft er wollte.

SENTA
Und was meinst du?

ERIK
Dir einen Gatten geben!
Mein Herz, voll Treue bis zum Sterben,
mein dürftig‘ Gut, mein Jägerglück;
darf so um deine Hand ich werben?
Stößt mich dein Vater nicht zurück?
Wenn dann mein Herz im Jammer bricht,
sag, Senta, wer dann für mich spricht?

SENTA
Ach, schweige, Erik, jetzt! Lass mich hinaus,
den Vater zu begrüßen!
Wenn nicht, wie sonst, an Bord die Tochter kommt,
wird er nicht zürnen müssen.

ERIK
Du willst mich flieh’n?

SENTA
Ich muss zum Port.

ERIK
Du weichst mir aus?

SENTA
Ach, lass mich fort!

ERIK
Flieh’st du zurück vor dieser Wunde,
die du mir schlug’st, dem Liebeswahn?
O, höre mich zu dieser Stunde,
hör‘ meine letzte Frage an:
wenn dieses Herz im Jammer bricht,
wird’s Senta sein, die für mich spricht?

SENTA
Wie? Zweifelst du an meinem Herzen?
Du zweifelst, ob ich gut dir bin?
O sag‘, was weckt dir solche Schmerzen?
Was trübt mit Argwohn deinen Sinn?

ERIK
Dein Vater, ach! nach Schätzen geizt er nur.
Und Senta, du, wie dürft‘ auf dich zu zählen?
Erfülltest du nur eine meiner Bitten?
Kränkst du mein Herz nicht jeden Tag?

SENTA
Dein Herz?

ERIK
Was soll ich denken? Jenes Bild…

SENTA
Das Bild?

ERIK
Lässt du von deiner Schwärmerei wohl ab?

SENTA
Kann meinem Blick Theilnahme ich verwehren?

ERIK
Und die Ballade, heut‘ noch sang’st du sie!

SENTA
Ich bin ein Kind und weiß nicht was ich singe.
O sag‘, wie? fürchtest du ein Lied, ein Bild?

ERIK
Du bist so bleich!
sag‘, sollte ich’s nicht fürchten?

SENTA
Soll mich des Ärmsten
Schreckenslos nicht rühren?

ERIK
Mein Leiden, Senta, rührt es dich nicht mehr?

SENTA
O, prahle nicht! Was kann dein Leiden sein?
Kennst jenes Unglücksel’gen Schicksal du?
Fühl’st du den Schmerz, den tiefen Gram,
mit dem herab auf mich er sieht?
Ach, was die Ruhe für ewig ihm nahm,
wie schneidend Weh‘ durch’s Herz mir zieht!

ERIK
Weh‘ mir!
Es mahnt mich mein unsel’ger Traum!
Gott schütze dich! Satan hat dich umgarnt!

SENTA
Was schreckt dich so?

ERIK
Senta! Lass dir vertrau’n:
ein Traum ist’s! Hör‘ ihn zur Warnung an!
Auf hohem Felsen lag‘ ich träumend,
sah unter mir des Meeres Fluth;
die Brandung hört‘ ich, wie sich schäumend
am Ufer brach der Wogen Wuth.
Ein fremdes Schiff am nahen Strande
erblickt‘ ich, seltsam, wunderbar;
zwei Männer nahten sich dem Lande,
der ein‘, ich sah’s, dein Vater war.

SENTA
Der andre?

ERIK
Wohl erkannt‘ ich ihn:
mit schwarzen Wams, bleicher Mien’…

SENTA
Der düstre Blick…

ERIK
auf das Bild deutend.
Der Seemann, er.

SENTA
Und ich?

ERIK
Du kamst vom Hause her,
du flogst, den Vater zu begrüßen;
doch kaum noch sah ich an dich langen,
du stürztest zu des Fremden Füssen –
ich sah dich seine Knie umfangen…

SENTA
Er hub mich auf…

ERIK
…an seine Brust;
voll Inbrunst hing’st du dich an ihn –
du küsstest ihn mit heißer Lust…



SENTA
Und dann?

ERIK
Sah ich auf’s Meer euch flieh’n.

SENTA
Er sucht mich auf! Ich muss ihn seh’n!

ERIK
Entsetzlich! Ha, mir wird es klar!

SENTA
Mit ihm muss ich zugrunde geh’n.

ERIK
Sie ist dahin! Mein Traum sprach wahr!
Er stürz’t voll Entsetzen ab.

SENTA
Ach, möchtest du,
bleicher Seemann, sie finden!
Betet zum Himmel, dass bald ein Weib
Treue ihm… Ha!
Die Tür geht auf. D a l a n d  und der H o l l ä n d e r  treten ein. S e n t a‘ s  Blick streift vom Bilde auf den H o l l ä n d e r , sie stößt einen Schrei der Ueberraschung aus und bleibt wie festgebannt stehen, ohne ihr Auge vom H o l l ä n d e r  abzuwenden.

DALAND
Mein Kind, du siehst mich auf der Schwelle.
Wie? Kein Umarmen, Keinen Kuss?
Du bleibst gebannt an deiner Stelle;
verdien‘ ich, Senta, solchen Gruß?

SENTA
Gott dir zum Gruß!
Mein Vater, sprich!
Wer ist der Fremde?

DALAND
lächelnd.
Dräng’st du mich?
Mög’st du, mein Kind, den fremden Mann willkommen heißen?
Seemann ist er, gleich mir,
das Gastrecht spricht er an.
Lang‘ ohne Heimat,
stets auf fernen, weiten Reisen,
in fremden Landen er
der Schätze viel‘ gewann.
Aus seinem Vaterland verwiesen,
für einen Herd er reichlich lohnt:
sprich, Senta, würd‘ es dich verdrießen,
wenn dieser Fremde bei uns wohnt?
S e n t a  nickt beifällig mit dem Kopf. D a l a n d  wendet sich zum H o l l ä n d e r .
Sagt, hab‘ ich sie zu viel gepriesen?
Ihr seht sie selbst – ist sie Euch recht?
Soll ich von Lob noch überfließen?
Gesteht, sie zieret ihr Geschlecht?
zu S e n t a .
Mög’st du, mein Kind,
dem Manne freundlich dich erweisen!
Von deinem Herzen auch
spricht holde Gab‘ er an;
Reich‘ ihm die Hand, denn Bräutigam
sollst du ihn heißen:
stimmst du dem Vater bei,
ist morgen er dein Mann.
Sieh dieses Band, sieh diese Spangen!
Was er besitzt, macht dies gering.
Muss, teures Kind, dich’s nicht verlangen?
Dein ist es, wechselst du den Ring.
S e n t a , ohne ihn zu beachten, wendet ihren Blick nicht vom H o l l ä n d e r  ab, sowie auch dieser ohne auf D a l a n d  zu hören, nur in den Anblick des Mädchens versunken ist. D a l a n d  wird es gewahr; er betrachtet beide.
Doch keines spricht…
Sollt‘ ich hier lästig sein?
So ist’s! Am besten lass‘ ich sie allein.
zu S e n t a .
Mög’st du den ed’len Mann gewinnen!
Glaub‘ mir, solch‘ Glück wird nimmer neu.
zum H o l l ä n d e r .
Bleib’t hier allein!
Ich geh‘ von hinnen.
Glaubt mir, wie schön, so ist sie treu!
Er geht langsam ab, indem er die beiden wohlgefällig und verwundert betrachtet.

HOLLÄNDER
Wie aus der Ferne längst vergang’ner Zeiten
spricht dieses Mädchens Bild zu mir:
wie ich’s geträumt seit bangen Ewigkeiten,
vor meinen Augen seh‘ ich’s hier.
Wohl hub auch ich voll Sehnsucht meine Blicke
aus tiefer Nacht empor zu einem Weib:
ein schlagend‘ Herz ließ, ach! mir Satan’s Tücke,
dass eingedenk ich meiner Qualen bleib‘.
Die düstre Gluth, die hier ich fühle brennen,
sollt‘ ich Unseliger sie Liebe nennen?
Ach nein! Die Sehnsucht ist es nach dem Heil:
würd‘ es durch solchen Engel mir zutheil!

SENTA
Versank ich jetzt in wunderbares Träumen?
Was ich erblicke, ist’s ein Wahn?
Weilt‘ ich bisher in trügerischen Räumen,
brach des Erwachen’s Tag heut‘ an?
Er steht vor mir, mit leidenvollen Zügen,
es spricht sein unerhörter Gram zu mir:
kann tiefen Mitleid’s Stimme mich belügen?
Wie ich ihn oft geseh’n, so steht er hier.
Die Schmerzen, die in meinem Busen brennen,
ach‘, dies Verlangen, wie soll ich es nennen?
Wonach mit Sehnsucht es dich treibt – das Heil,
würd‘ es, du Aermster, dir durch mich zutheil!

HOLLÄNDER
Wirst du des Vaters Wahl nicht schelten?
Was er versprach, wie – dürft‘ es gelten?
Du könntest dich für ewig mir ergeben,
und deine Hand dem Fremdling reichtest du?
Soll finden ich, nach qualenvollen Leben,
in deiner Treu‘ die langersehnte Ruh‘?

SENTA
Wer du auch sei’st und welches das Verderben,
dem grausam dich dein schicksal konnte weih’n –
was auch das Los, das ich mir sollt‘ erwerben,
gehorsam stets werd‘ ich dem Vater sein!

HOLLÄNDER
So unbedingt, wie? könnte dich durchdringen
für meine Leiden tiefstes Mitgefühl?

SENTA
für sich.
Oh, welche Leiden!
Könnt‘ ich Trost dir bringen!

HOLLÄNDER
da er es vernommen.
Welch‘ holder Klang im nächtigen Gewühl!
Du bist ein Engel! Eines Engel’s Liebe
Verworf’ne selbst zu trösten weiß!
Ach, wenn Erlösung mir zu hoffen bliebe,
All-Ewiger, durch diese sei’s!

SENTA
Ach, wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe,
All-Ewiger, durch mich nur sei’s!

HOLLÄNDER
Ach! Könntest das Geschick du ahnen,
dem dann mit mir du angehör’st,
dich würd‘ es an das Opfer mahnen,
das du mir bringst, wenn Treu‘ du schwör’st.
Es flöhe schaudernd deine Jugend
dem Lose, dem du sie willst weih’n,
nennst du des Weibes schönste Tugend,
nennst ew’ge Treue du nicht dein!

SENTA
Wohl kenn‘ ich Weibes heil’ge Pflichten.
sei drum gestrost, unsel’ger Mann!
Lass über die das Schicksal richten,
die seinem Spruche trotzen kann!
In meines Herzen’s höchster Reine
kenn‘ ich der Treue Hoch-Gebot.
Wem ich sie weih‘, schenk‘ ich die eine;
die Treue bis zum Tod.

HOLLÄNDER
Ein heil’ger Balsam meinen Wunden
dem Schwur, dem hohen Wort entfließ’t.
Hör’t es: mein Heil, hab‘ ich gefunden.
Mächte, ihr Mächte, die ihr zurück mich stieß’t.
Du Stern des Unheil’s soll’st erblassen.
Licht meiner Hoffnung, leuchte neu!
Ihr Engel, die mich einst verlassen,
stärkt jetzt dies Herz in seiner Treu‘.

SENTA
Von mächt’gem Zauber überwunden
reißt mich’s zu seiner Rettung fort.
hier habe Heimat er gefunden,
hier ruh‘ sein Schiff in sich’rem Port!
Was ist’s, das mächtig in mir lebet?
Was schließt berauscht mein Busen ein?
All-Mächt’ger, was so hoch mich erhebet,
lass‘ es die Kraft der Treue sein!

DALAND
wieder eintretend.
Verzeiht! Mein Volk hält draußen sich nicht mehr;
nach jeder Rückkunft, wisset, gibt’s ein Fest.
Verschönern möcht ich’s, komme deshalb her,
ob mit Verlobung sich’s vereinen lässt?
zum H o l l ä n d e r .
Ich denk‘, ihr habt nach Herzens-Wunsch gefreit?
Senta, mein Kind, sag, bist auch du bereit?

SENTA
Hier meine Hand! und ohne Reu‘
bis in den Todt gelob‘ ich Treu‘!

HOLLÄNDER
Sie reicht die Hand! Gesprochen sei
Hohn, Hölle, dir durch ihre Treu‘!

DALAND
Euch soll dies Bündnis nicht gereu’n!
Zum Fest! heut‘ soll sich alles freu’n!

DRITTER AUFZUG

Seebucht mit felsigem Gestade; das Haus D a l a n d‘ s  zur Seite im Vordergrunde. Den Hintergrund nehmen, ziemlich nahe bei einander liegend, die beiden Schiffe, das des Norwegers und das des H o l l ä n d e r‘ s , ein. Helle Nacht: das norwegische Schiff ist erleuchtet; die Matrosen desselben sind auf dem Verdeck; Jubel und Freude. Die Haltung des holländischen Schiffes bietet einen unheimlichen Kontrast: eine unnatürliche Finsternis ist über dasselbe ausgebreitet; es herrscht Totenstille auf ihm.

MATROSEN DES NORWEGERS
trinkend.
Steuermann! lass‘ die Wacht!
Steuermann! her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Hisst die Segel auf! Anker fest!
Steuermann, her!
Fürchten weder Wind noch bösen Strand,
wollen heute ‚mal recht lustig sein!
Jeder hat sein Mädel auf dem Land,
herrlichen Tabak und guten Branntwein.
Hussassahe!
Klipp‘ und Sturm‘ drauß‘ – jollohohe!
lachen wir aus! hussassahe!
Segel ein! Anker fest!
Klipp‘ und Sturm lachen wir aus!
Steuermann, lass‘ die Wacht!
Steuermann, her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Steuermann, her trink‘ mit uns!
Ho! He! Je! Ha!
Klipp‘ und Sturm‘ He! sind vorbei, he!
Hussahe! Hallohe! Hussahe!
Steuermann, Ho!
Her, komm‘ und trink‘ mit uns!
Sie tanzen auf dem Verdeck. Die Mädchen kommen mit Körben voll Speisen und Getränken.

MÄDCHEN
Mein! Seh’t doch an! Sie tanzen gar!
Der Mädchen bedarf’s da nicht, fürwahr!
Sie gehen auf das holländische Schiff zu.

MATROSEN
He! Mädel! Halt! Wo geht ihr hin?

MÄDCHEN
Steht euch nach frischem Wein der Sinn?
Euer Nachbar dort soll auch was haben!
Ist Trank und Speis‘ für euch allein?

STEUERMANN
Fürwahr! trag’t’s hin den armen Knaben!
Vor Durst sie scheinen matt zu sein!

MATROSEN
Man hört sie nicht.

STEUERMANN
Ei, seht doch nur!
Kein Licht! von der Mannschaft keine Spur!

MÄDCHEN
im Begriff, an Bord des H o l l ä n d e r‘ s  zu gehen.
He! Seeleut‘! he! wollt Fackeln ihr?
Wo seid ihr doch? Man sieht nicht hier!

MATROSEN
Hahaha!
Weckt sie nicht auf! Sie schlafen noch!

MÄDCHEN
He!. Seeleut! He! Antwortet doch!

MATROSEN
Ha ha!
Wahrhaftig, sie sind tot:
sie haben Speis‘ und Trank nicht not!

MÄDCHEN
Ei, Seeleute, liegt ihr so faul schon im Nest?
Ist heute für euch denn nicht auch ein Fest?

MATROSEN
Sie liegen fest auf ihrem Platz,
wie Drachen hüten sie den Schatz.



MÄDCHEN
He! Seeleute! Wollt ihr nicht frischen Wein?
Ihr müsset wahrlich doch durstig auch sein.

MATROSEN
Sie trinken nicht, sie singen nicht;
In ihrem Schiffe brennt kein Licht.

MÄDCHEN
Sagt! Habt ihr denn nicht auch ein Schätzen am Land?
Wollt ihr nicht mit tanzen auf freundlichen Strand?

MATROSEN
Sie sind schon alt und bleich statt rot!
Und ihre Liebsten, die sind tot!

MÄDCHEN
He! Seeleut‘! Seeleut‘! Wacht doch auf!
Wir bringen euch Speise und Trank zu Hauf!

MATROSEN und MÄDCHEN
He! Seeleut‘! Seeleut‘! Wacht doch auf!

MÄDCHEN
Wahrhaftig, ja! Sie scheinen todt!
Sie haben Speis‘ und Trank nicht noth.

MATROSEN
Vom fliegenden Holländer wiss’t ihr ja?
Sein Schiff, wie es liebt, wie es lebt, seh’t ihr da!

MÄDCHEN
So weck’t die Mannschaft ja nicht auf;
Gespenster sind’s, wir schwören d’rauf!

MATROSEN
Wie viel hundert Jahre schon seid ihr zur See?
Euch tu’t ja der Sturm und die Klippe nicht weh!

MÄDCHEN
Sie trinken nicht, sie singen nicht!
In ihrem Schiffe brenn’t kein Licht.

MATROSEN
Habt ihr keine Brief‘, keine Aufträg‘ für’s Land?
Unsern Ur-Großvätern wir bringen’s zur Hand!

MÄDCHEN
Sie sind schon alt und bleich statt rot!
Und ihre Liebsten, ach, sind todt!

MATROSEN
Hei, Seeleute! spannt eure Segel doch auf
und zeigt uns des fliegenden Holländers Lauf!

MÄDCHEN
Sie hören nicht! Uns graus’t es hier!
Sie wollen nichts – was rufen wir?

MATROSEN
Ihr Mädel, lasst die Toten ruh’n;
Lass’t’s uns Lebend’gen gütlich tun!

MÄDCHEN
den Matrosen ihre Körbe über Bord reichend.
So nehmt! Der Nachbar hat’s verschmäht!

STEUERMANN
Wie? Kommt ihr denn nicht selbst an Bord?

MÄDCHEN
Ei, jetzt noch nicht! Es ist ja nicht spät.
Wir kommen bald! Jetzt trink’t nur fort,
und wenn ihr woll’t, so tanz’t dazu,
doch gönnt dem müden Nachbar Ruh‘,
Lass’t ihm Ruh‘!

MATROSEN
die Körbe leerend.
Juche! Da gibt’s die Fülle!
Lieb‘ Nachbar, habe Dank!

STEUERMANN
Zum Rand sein Glas ein jeder fülle!
Lieb‘ Nachbar liefert uns den Trank.

MATROSEN
Hallo hohoho!
Lieb‘ Nachbarn, habt ihr Stimm‘ und Sprach‘,
so wachet auf und macht’s uns nach!…
Sie trinken aus und stampfen die Becher heftig auf. Von hier an beginnt es sich auf dem holländischen Schiff zu regen.
Steuermann, lass die Wacht!
Steuermann! her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Hisst die Segel auf! Anker fest!
Steuermann, her!

Wachten manche Nacht bei Sturm und Graus‘,
tranken oft des Meer’s gesalz’nes Nass:
heute wachen wir bei Saus und Schmaus,
besseres Getränk gibt Mädel uns vom Fass.
Hussassahe!
Klipp‘ und Sturm d’raus‘.
Jollolohe!
lachen wir aus!
Hussassahe!
Segel ein! Anker fest!
Klipp‘ und Sturm lachen wir aus!

Steuermann, lass‘ die Wacht!
Steuermann, her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Steuermann, her! Trink‘ mit uns!
Ho! He! Je! Ha!
Klipp‘ und Sturm‘ – ha!
sind vorbei, he!
Hussahe! Hallohe!
Hussahe! Steuermann! Ho!
Her, komm und trink mit uns!
Das Meer, das sonst überall ruhig bleibt, hat sich im Umkreise des holländischen Schiffes zu heben begonnen; eine düstere, bläuliche Flamme lodert in diesem als Wachtfeuer auf. Sturmwind erhebt sich in dessen Tauen. Die Mannschaft, von der man zuvor nichts sah, belebt sich.

DIE MANNSCHAFT DES HOLLÄNDERS
Johohoe! Johohoe! Hoe! Hoe! Hoe!
Hui-ssa!
Nach dem Land treibt der Sturm.
Hui-ssa!
In die Bucht laufet ein!
Schwarzer Hauptmann, geh‘ ans Land!
sieben Jahre sind vorbei!
Frei‘ um blonden Mädchen’s Hand!
Blondes Mädchen, sie ihm treu‘!
Lustig heut‘, hui!
Bräutigam! Hui!
Sturmwind heul’t Brautmusik
Ozean tanzt dazu!
Hui! – horch, er pfeift!
Kapitän, bist wieder da?
Hui! – Segel auf!
Deine Braut – sag‘, wo sie blieb?
Hui! – auf, in See!
Kapitän! Kapitän!
Hast kein Glück in der Lieb‘!
Hahaha!
Sause, Sturmwind, heule zu!
Unsern Segeln lässt du Ruh‘!
Satan hat sie uns gefeit,
reißen nicht in Ewigkeit!
Hohoe! nicht in Ewigkeit!
Während des Gesanges der Holländer wird ihr Schiff von den Wogen auf und ab getragen; furchtbarer Sturmwind heult und pfeift durch die nackten Taue. Die Luft und das Meer bleiben, außer in der nächsten Umgebung des holländischen Schiffes, ruhig wie zuvor.

MATROSEN DES NORWEGERS
Welcher Sang! Ist es Spuk?
Wie mich’s graust!
Stimmet an – unser Lied!
Singet laut!
Steuermann, lass die Wacht!
Steuermann, her zu uns!
Ho! He! Je! Ha!
Singet laut! Lauter!
Der Gesang der Mannschaft des H o l l ä n d e r‘ s  wird in einzelnen Strophen immer stärker wiederholt; die Norweger suchen ihn mit ihrem Lied zu übertäuben; nach vergeblichen Versuchen bringt sie das Tosen des Meeres, das Sausen, Heulen und Pfeifen des unnatürlichen Sturmes sowie der immer wilder werdende Gesang der Holländer zum Schweigen. Sie ziehen sich zurück, schlagen das Kreuz und verlassen das Verdeck; die Holländer, als sie dies‘ sehen, erheben ein gellendes Hohngelächter. Sodann herrscht mit einem Male auf ihrem Schiffe wieder die Totenstille; Luft und Meer werden in einem Augenblick wieder ruhig, wie zuvor. S e n t a  kommt bewegten Schrittes aus dem Hause; ihr folgt E r i k  in höchster Aufregung.

ERIK
Was musst ich hören? Gott, was muss ich sehen?
Ist’s Täuschung? Wahrheit? Ist es That?

SENTA
O frage nicht! Antwort darf ich nicht geben.

ERIK
Gerechter Gott! Kein Zweifel! Es ist wahr!
Welch‘ unheilvolle Macht riss dich dahin?
Welche Gewalt verführte dich so schnell,
grausam zu brechen dieses treu’ste Herz!
Dein Vater – ha – den Bräut’gam bracht‘ er mit.
Wohl kenn‘ ich ihn mir ahnte, was geschieht!
Doch du, ist’s möglich!, reichest deine Hand
dem Mann, der deine
Schwelle kaum betrat.

SENTA
Nicht weiter! Schweig‘! ich muss! ich muss!

ERIK
O des Gehorsams, blind wie deine That!
Den Wink des Vaters nanntest du willkommen,
mit einem Stoß vernichtest du mein Herz!

SENTA
Nicht mehr! nicht mehr!
Ich darf dich nicht mehr seh’n,
nicht an dich denken – hohe Pflicht gebeut’s!

ERIK
Welch‘ hohe Pflicht? Ist’s höh’re nich zu halten,
was du mir einst gelobtest, ewige Treue?

SENTA
Wie? Ew’ge Treue hätt‘ ich dir gelobt?

ERIK
Senta! o Senta! leugnest du?
Willst jenes Tags dich nicht mehr entsinnen,
als du zu dir mich riefest in das Thal?
Als, dir des Hochland’s Blume zu gewinnen,
muthvoll ich trug Beschwerden ohne Zahl?
Gedenkst du, wie auf steilem Felsenriffe
vom Ufer wir den Vater scheiden sah’n?
Er zog dahin auf weiß-beschwingtem Schiffe,
und meinem Schutz vertraute er dich an,
ja, meinem Schutz vertraute er dich an.
Als sich dein Arm um meinen Nacken schlang,
gestandest du mir Liebe nicht aufs neu‘?
Was bei der Hände Druck mich hehr durchdrang,
sag‘, war’s nicht Versich’rung deiner Treu‘?
Der H o l l ä n d e r  hat den Auftritt belauscht; in furchtbarer Aufregung bricht er jetzt hervor.

HOLLÄNDER
Verloren! ach! verloren!
Ewig verlor’nes Heil!

ERIK
Was seh‘ ich? Gott!

HOLLÄNDER
Senta, leb‘ wohl!

SENTA
sich ihm in den Weg werfend.
Halt ein, Unsel’ger!

ERIK
zu S e n t a .
Was beginn’st du?

HOLLÄNDER
In See! in See für ew’ge Zeiten!
zu S e n t a .
Um deine Treue ist’s getan,
um deine Treue – um mein Heil!
Leb‘ wohl, ich will dich nicht verderben!

ERIK
Entsetzlich! Dieser Blick…

SENTA
wie vorher
Halt‘ ein! Von dannen sollst du nimmer flieh’n!

HOLLÄNDER
giebt seiner Mannschaft ein gellendes Zeichen auf einer Schiffspfeife.
Segel auf! Anker los!
Sagt Lebewohl auf Ewigkeit dem lande!
Fort auf das Meer trieb’s mich auf’s Neue!
Ich zweifl‘ an dir! Ich zweifl‘ an Gott!
Dahin, dahin, ist alle Treue!
Was du gelobtest, war dir Spott!

SENTA
Ha! zweifelst du an meiner Treue?
Unsel’ger, was verblendet dich?
Halt‘ ein! das Bündnis nicht bereue!
Was ich gelobte halte ich!

ERIK
Was hör‘ ich! Gott, was muss ich sehen?
Muss ich dem Ohr, dem Auge trau’n?
Senta! willst du zugrunde gehen?
Zu mir! du bist in Satan’s Klau’n!

HOLLÄNDER
Erfahre das Geschick, vor dem ich dich bewahr‘!
Verdammt bin ich zum grässlichsten der Lose;
zehnfacher Tod wär‘ mir erwünschte Lust!
Vom Fluch ein Weib allein mich kann erlösen,
ein Weib, das Treu‘ bis in den Todt mir hält.
Wohl hast du Treue mir gelobt, doch vor
dem Ewigen noch nicht; dies‘ rettet dich!
Denn wiss‘, Unsel’ge, welches das Geschick,
das jene trifft, die mir die Treue brechen:
ew’ge Verdammnis ist ihr Los!
Zahllose Opfer fielen diesem Spruch durch mich!
du aber sollst gerettet sein!
Leb‘ wohl! Fahr‘ hin, mein Heil, in Ewigkeit!

ERIK
in furchtbarer Angst.
Zu Hilfe! rettet, rettet sie!

SENTA
in höchster Aufregung.
Wohl‘ kenn‘ ich dich!
Wohl kenn‘ ich dein Geschick!
Ich kannte dich, als ich zuerst dich sah!
Das Ende deiner Qual ist da! – ich bin’s.
durch deren Treu‘ dein Heil du finden sollst!
Auf E r i k‘ s  Hilferufe sind D a l a n d , M a r y  die Mädchen und die Matrosen herbeigeeilt.

ERIK
Helft ihr! Sie ist verloren!

DALAND, MARY und CHOR
Was erblick‘ ich!

DALAND
Gott!

HOLLÄNDER
zu S e n t a .
Du kenn’st mich nicht,
du ahn’st nicht, wer ich bin!
Er deutet auf sein Schiff, dessen rote Segel aufgespannt sind und dessen Mannschaft in gespenstischer Regsamkeit die Abfahrt vorbereitet.
Befrag‘ die Meere aller Zonen, befrag‘
den Seemann, der den Ozean durchstrich,
er kennt dies‘ Schiff, das Schrecken aller Frommen:
den fliegenden Holländer nenn’t man mich.

DIE MANNSCHAFT DES HOLLÄNDERS
Johohoe! johohohoe! hoe! hui-ssa!
Schnell langt er am Bord seines Schiffes an, das augenblicklich unter dem Seerufe der Mannschaft abfährt. S e n t a  sucht sich mit Gewalt von D a l a n d  und E r i k  loszuwinden.

MARY, ERIK, DALAND und CHOR
Senta! Senta! Was willst du tun?
S e n t a  hat sich mit wüthender Kraft losgerissen und erreicht ein vorstehendes Felsenriff: von da aus ruft sie dem absegelnden H o l l ä n d e r  nach.

SENTA
Preis‘ deinen Engel und sein Gebot!
Hier steh‘ ich, treu dir bis zum Tod!
S e n t a  stürzt sich in das Meer; in demselben Augenblicke versinkt das Schiff des H o l l ä n d e r‘ s  und verschwindet schnell in Trümmern. In weiter Ferne entsteigen dem Wasser der H o l l ä n d e r  und   S e n t a , beide in verklärter Gestalt; er hält sie umschlungen.

Ende Libretto Der Fliegende Holländer